Im Vorfeld der Partie hätte wohl jeder bei Borussia Mönchengladbach sein Einverständnis mit einem Punkt bei Inter Mailand bekundet. Doch nach den 97 Minuten im Giuseppe-Meazza-Stadion bleibt man ein wenig ratlos zurück. Angesichts der Kräfteverhältnisse über die gesamte Spielzeit können die Borussen mit dem einen Zähler mehr als zufrieden sein. Doch der Spielfilm im San Siro gab mehr her, so dass man sich auch ärgern muss, den greifbaren Sieg nicht eingefahren zu haben.
Die Mannschaft ist das Spiel in Mailand kollektiv sehr fokussiert angegangen. Die Anfangsphase gehörte der Fohlenelf, die dort den vorher propagierten Mut an den Tag legte und früh attackierte. Im weiteren Verlauf gewann Inter die Oberhand, wobei die Borussen weiterhin sehr aufmerksam gegen den Ball arbeiteten. Gestört wurde der eigentlich ordentliche Auftritt allerdings immer dann, wenn man selbst die Initiative ergreifen wollte. Das ging im ersten Durchgang fast ausnahmslos schief und lag keineswegs nur an den ihrerseits konsequent verteidigenden Italienern.
Für eine Mannschaft, die sich selbst über die fußballerische Komponente definiert, war das insgesamt zu dünn
Die Verbindung im Aufbau zu den Angreifern klappte bei den Borussen über weite Strecken nicht. Das lag an überhasteten Passversuchen von hinten heraus oder aus dem Mittelfeld, aber auch am Offensivtrio Plea, Embolo und Thuram, das zu wenig Bälle sichern konnte. So konnte kaum nachgeschoben werden, wodurch in der gegnerischen Hälfte so gut wie kein Kombinationsspiel zustande kam. Für eine Mannschaft, die sich selbst über die fußballerische Komponente definiert, war das insgesamt zu dünn. Das Offensivspiel der Fohlen war eine Stunde lang nur ein laues Lüftchen.
Der erste Torschuss war folglich dann auch der Elfmeter, den Ramy Bensebaini überragend verwandelte. Zu diesem Zeitpunkt lag die Borussia mit 0:1 im Hintertreffen, nachdem hinten einmal einer ‘durchgerutscht’ war. Danach musste man kurzzeitig um die Gladbacher bangen, als sie gehörig wackelten. Aber sie erholten sich und durch die Einzelaktion von Thuram, der im dritten Spiel in Folge einen Elfmeter ‘erarbeitete’, fanden sie zurück ins Spiel. Danach gestaltete man das Geschehen ausgeglichen und spielte nun auch in der gegnerischen Hälfte gefälliger als zuvor.
Borussia hat die Feuertaufe auf der höchsten europäischen Bühne bestanden
Bemerkenswert in dieser Phase, dass die Mannschaft - anders als gegen Union Berlin und Wolfsburg - nicht abbaute, sondern physisch und psychisch stabil blieb. Man hatte immer das Gefühl, dass da noch etwas möglich sein könnte, was ja dann auch der Fall war. Der geniale Geistesblitz von Neuhaus mit seinem Traumpass und die - nicht selbstverständliche - Coolness von Hofmann öffneten plötzlich die Tür zum Auswärtssieg sperrangelweit. Nachdem es mehr als drei Minuten dauerte, bis die Korrektheit des Treffers bestätigt wurde, hatten die Spieler von Inter den Tiefschlag des Gegentreffers jedoch schon fast verdaut, als es weiterging. Inter griff richtiggehend wütend an und kam zu dem folgenschweren Eckball, den die Borussen natürlich hätten besser verteidigen können und müssen.
Vom Spielfilm her mit einem Gegentor in der vorletzten Minute, ist das Resultat für Borussia sicherlich ärgerlich. Ordnet man die Kräfteverhältnisse richtig ein, so ist das Remis das gerechte Ergebnis. Und dennoch können die Gladbacher mehr aus Mailand mitnehmen, als nur diesen einen Zähler. Sie haben die Feuertaufe auf der höchsten europäischen Bühne bestanden, sich stabil präsentiert und im letzten Drittel der Partie nicht abgebaut, sondern im Gegenteil sogar noch zugelegt. Das darf als Zeichen gewertet werden, dass es in die richtige Richtung geht - bzw. gehen kann. Denn man darf natürlich nicht unterschlagen, dass das Spiel im San Siro ein echter Kraftakt war, der richtig ‘Körner’ gekostet hat. Das zu kompensieren und sich jetzt in Mainz keine Blöße zu geben, wird eine ähnlich große Herausforderung, wie bei Inter Mailand zu bestehen.
von Marc Basten