Die Corona-Pandemie hinterlässt ihre Spuren. Für viele Menschen geht es wortwörtlich um Leben und Tod, andere müssen hilflos mit ansehen, wie ihre Existenzen den Bach runtergehen und mehr oder weniger fühlt sich jeder Bürger in seiner Freiheit eingeschränkt. Die Gewissheit nach all den Wochen ist die, dass es bislang nur ganz wenig faktenbasierte Erkenntnisse gibt. Die Wissenschaftler stellen Mutmaßungen an und müssen ihre Einschätzungen immer mal wieder revidieren. Wenn die Fachleute schon nicht genau wissen, was Sache ist, wie soll man sich als Laie ein Bild machen oder sogar ein Urteil erlauben können?
Bislang fährt man am besten, wenn man den Kopf einzieht, sich an die sinnvoll erscheinenden Hygiene- und Abstandsregelungen hält und darüber hinaus diverse Sondersendungen und vor allem Talkrunden im TV meidet. Doch klar ist auch, dass die Menschen Perspektiven benötigen, damit es weitergeht. Dass wir in Zukunft von der Zeit vor Corona und der Zeit danach sprechen werden, dürfte unausweichlich sein. Eine komplette Rückkehr zu einem Alltag, wie wir ihn noch Anfang März 2020 erlebt haben, wird es nicht geben.
Insoweit ist jeder Mensch betroffen, jeder schleppt seine Ängste und Befürchtungen mit sich herum. Dass hier die Sorge um den Profifußball nicht obereste Priorität hat, ist nachvollziehbar, auch wenn diverse Fußball-Amtsträger in Deutschland zu Beginn andere Vorstellungen hatten. Mittlerweile müssen sie sich damit auseinandersetzen, dass der Fußball scheinbar doch nicht der Nabel der Welt ist. Dass die obszöne Blase bald platzen könnte, ist ganz offensichtlich nur für die unmittelbaren Profiteure ein Schreckensszenario. Der ›Otto-Normal-Fußballkonsument‹ hat derzeit ganz andere Probleme.
DFL-Chef Christian Seifert ist in den letzten Wochen sichtlich nachdenklich geworden. Die Vehemenz, mit der Deutschlands vermeintlich liebstes Kind, die Bundesliga, für ihre Wiederaufnahmepläne angegangen wurde, hat den Funktionär überrascht. Jüngst äußerte er sich in einem Interview mit der FAZ einsichtig. »Wenn wir jetzt den Mut und die Ausdauer haben, Veränderungen im Profifußball zu denken und auch über eine lange Strecke vorzunehmen, dann kann aus dieser Krise auch etwas Positives entstehen«. Dass dies nicht einfach wird in einer Branche, in der so viel Geld kreist und wo es so viel mächtige wie schamlose Nutznießer gibt, versteht sich von selbst. »Wir brauchen Lösungen«, sagt Seifert. »Und nicht Symbolpolitik. Symbolpolitik hilft niemandem.«
»Wir wollen nicht einfach nur irgendwie durch die Krise kommen und dann weitermachen wie bisher«, gibt Seifert zu Protokoll. Eine Aussage, an der er sich irgendwann einmal wird messen lassen müssen. Doch noch ist nicht klar, ob es für die Bundesliga überhaupt eine Zeit nach der Krise geben wird. Der Wunsch, den Spielbetrieb Anfang Mai mit Geisterspielen wieder aufzunehmen, hat trotz eines durchaus detaillierten Konzepts gemischte Reaktionen hervorgerufen. Wobei nicht unterschlagen werden darf, dass viele Politiker mittlerweile ihr Krisenmanagement nicht mehr nach der Bekämpfung der Pandemie und deren Folgen ausrichten, sondern ihre ureigenen machtpolitischen Interessen verfolgen.
Somit sind viele Aussagen, die nach der Vorstellung des Konzepts der DFL getroffen wurden, schlichtweg als populistisches Geschwätz abzutun. Eine endgültige Entscheidung steht weiterhin aus und es wird allgemein damit gerechnet, dass vor dem 6. Mai, wenn sich die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten zur virtuellen Sitzung treffen, keine Fakten geschaffen werden. Die Liga verharrt also weiter im Wartestand und muss darauf hoffen, dass sie im Sog der in diesen Tagen veranlassten Lockerungsmaßnahmen mit durchkommt. Erweisen sich die allgemeinen Lockerungen jedoch, wie von vielen Experten befürchtet, als verfrüht, so dürften auch die Chancen für den Plan der DFL deutlich sinken.
von Marc Basten