Auswärtssiege sind immer etwas Besonders und überraschende Erfolge bei eigentlich höher eingeschätzten Gegnern noch viel mehr. Entsprechend war die Stimmung nach dem Schlusspfiff im ehemaligen Neckarstadion in Stuttgart, als die erstmals in dieser Saison in grünen Trikots aufgelaufenen Borussenprofis vor der Gästekurve tanzten und mit den Fans feierten.
Dieser Sieg beim Vizemeister kam unerwartet, war in der Entstehung jedoch absolut verdient. Borussia agierte über die gesamte Spielzeit mindestens auf Augenhöhe mit dem VfB, erspielte sich die hochkarätigeren Möglichkeiten und überzeugte - was besonders hervorzuheben ist - mit der klareren Spielidee. Die Mischung aus mannorientierter Vorwärtsverteidigung und tiefer Staffelung passte und die eigenen Ballbesitzphasen nutzte das Team nicht nur zur Entlastung, sondern setzte damit auch offensive Akzente, die den VfB spürbar aus dem Konzept brachten.
Diesmal kein willkommener Aufbaugegner
Nathan Ngoumou avancierte zur positiven Überraschung des Tages. Der Franzose stach nicht nur durch seinen Treffer aus einer insgesamt homogenen Einheit heraus. Mit seinen dynamischen Vorstößen stellte er die Stuttgarter Defensive wiederholt vor Probleme und präsentierte sich - untypisch für seine bisherigen Auftritte - ausgesprochen zielstrebig und selbstbewusst. Sollte der 24-Jährige diese vielversprechende Leistung auf seiner angestammten Position auf der rechten Außenbahn in den kommenden Partien bestätigen können, wäre dies ein wichtiger Faktor, um den Ausfall von Franck Honorat zu kompensieren
Der Auswärtserfolg basierte nicht nur auf der disziplinierten und fokussierten Leistung der Fohlenelf, sondern auch auf der geschickten Ausnutzung der mentalen Verfassung des Gegners. Die Stuttgarter präsentierten sich nach dem bitteren Champions-League-Aus gegen Paris merklich verunsichert - ein Umstand, den VfB-Trainer Hoeneß später auch offen einräumte. Anders als in der Vergangenheit, als die Borussen in solchen Konstellationen häufig als willkommener Aufbaugegner fungierten, nutzte die Mannschaft diesmal die psychologische Schwächephase des Gegners konsequent zu ihren Gunsten.
Die Rückschläge brachten Borussia nicht aus dem Konzept
Die eigene mentale Stärke der Fohlenelf erwies sich als entscheidender Erfolgsfaktor. Weder das höchst unglückliche Eigentor von Elvedi noch die klare Fehlentscheidung des Schiedsrichtergespanns beim nicht gegebenen Strafstoß nach dem Foul an Stöger brachten die Mannschaft aus dem Konzept. Stattdessen überzeugte das Team mit bemerkenswerter Widerstandsfähigkeit, blieb seiner Linie treu und wurde für diese positive Einstellung letztlich mit drei Punkten belohnt.
Mit nunmehr 30 Zählern hat sich die Fohlenelf in Schlagdistanz zu den europäischen Rängen gebracht. Die Ausgeglichenheit der Liga spiegelt sich jedoch in der engen Tabellenkonstellation wider - zwei Niederlagen könnten das Team schnell wieder in die untere Tabellenhälfte zurückwerfen, konstante Leistungen hingegen den Anschluss nach oben wahren. Dass sich Gerardo Seoane nach dem Erfolg in Stuttgart der bewährten "Von-Spiel-zu-Spiel"-Philosophie seines Vorgängers Lucien Favre bediente, ist ein gutes Zeichen. Frei von Existenzsorgen können nun in den nächsten Wochen weitere Entwicklungsschritte gemacht werden.
von Marc Basten