Es war frostig am Borussia-Park am Dienstagmorgen, als Dieter Hecking seine Mannen auf den Trainingsplatz schickte. Zwei intensive Einheiten standen an, der Blick richtet sich auf den Samstag in Darmstadt. Gleichwohl sind die Eindrücke von der total missglückten Generalprobe in Düsseldorf am Wochenende noch sehr präsent. War die gruselige Darbietung unter dem geschlossenen Dach der Arena der letzte Warnschuss zur rechten Zeit oder aber die fließende Fortsetzung des in den letzten Monaten begonnenen Sturzflugs?
Die Situation vor dem Pflichtspielauftakt im neuen Jahr ist klar: Entweder wacht die Mannschaft endlich auf, oder aber es geht geradewegs in die 2. Liga. Allerspätestens nach Düsseldorf sollte jedem der Ernst der Lage überdeutlich geworden sein.
Dieter Hecking hat in seinen ersten Tagen in Gladbach nachvollziehbare und durchaus vielversprechende Ansätze gewählt. Wenn der Auftritt in Düsseldorf etwas Positives mit sich gebracht hat, dann einen wichtigen Erkenntnisgewinn für Hecking. Der erfahrene Coach wird ab sofort noch viel weniger in die Versuchung geraten, die Situation zu unter- und seine Spieler zu überschätzen. Er muss vielleicht beim Wiederaufbau des Teams noch einen Schritt weiter zurückgehen, um dem Team ein Korsett und eine grundsätzliche Struktur zu geben.
Die Spieler allerdings, die sich immer noch ob ihrer vermeintlichen individuellen Qualitäten in Sicherheit wiegen und den Absturz zum Ende der Hinrunde als Betriebsunfall herunterspielen, müssen sich endlich der Verantwortung stellen. Angefangen bei Raffael, der sein Barcelona-Trauma überwinden muss. Die resignierende Körpersprache des Brasilianers zieht die anderen mit herunter.
Weiter geht es mit Lars Stindl, der sich nachhaltiger zeigen muss. Selbst wenn es kompliziert ist, weil seine genaue Rolle auf dem Platz offensichtlich noch nicht feststeht. Deutlich mehr Präsenz muss auch Christoph Kramer an den Tag legen. Er hat den geordneten Favre-Fußball verinnerlicht, schließlich hat er nie besser gespielt als damals. Das gilt es wieder auf den Platz zu bringen und gleichzeitig die Nebenleute entsprechend zu führen.
Ebenso sind Tony Jantschke und Oscar Wendt gefragt. Sie sind die verbliebenen Recken einer einstmals so stabilen Viererkette. Beide wissen wie es geht, wenn die defensive Ordnung oberste Priorität hat. Gerade Jantschke könnte ein Faktor werden, wenn Hecking die Schubert’sche Doktrin von den hoch attackierenden Außenverteidigern auf einen eher abwartenden und klugen Verteidigungsstil a la Favre zurückschraubt.
Aber auch die anderen Spieler sind jetzt gefordert. Ein Mo Dahoud, der sich das unsinnige Anlaufen des gegnerischen Torwarts abgewöhnen muss, weil er nicht nur Kraft vergeudet, sondern in seinem Rücken Räume öffnet. Ein Jannik Vestergaard, der nicht immer in den Standby-Modus runterfahren darf, aus dem er in entscheidenden Momenten zu spät erwacht.
Die Aufzählung ließe sich noch beliebig fortsetzen. Fast jeder Spieler ist in den letzten Monaten deutlich unter seinen Möglichkeiten geblieben. Nachdem ihnen durch den Trainerwechsel das letzte Alibi genommen wurde, zählen ab sofort keine Ausreden mehr.
Beim Training am Dienstag fehlte André Hahn mit einem grippalen Infekt, er soll aber rechtzeitig wieder einsteigen können. Ansonsten konnte Dieter Hecking außer den bekannten Patienten Strobl, Traoré, Elvedi, Herrmann, Doucouré und Marvin Schulz mit allen Spielern arbeiten.
Dass sich am Samstag in Darmstadt etwas verändern muss, ist allen Beteiligten klar. Dieter Hecking wird sich etwas einfallen lassen. Was genau, bleibt der Öffentlichkeit und damit auch ›Spionen‹ aus Darmstadt zunächst verborgen. Das Training am Mittwoch findet unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt.