Drei Tage vor Heiligabend war das Thema André Schubert und Borussia Mönchengladbach durch. Die Vereinsführung zog den erwarteten und unausweichlichen Schlussstrich, nachdem die sportliche Entwicklung in den letzten Wochen in rasanter Fahrt bergab ging. Es gab letztlich keine schlüssigen Argumente mehr, die dafür sprachen, dass André Schubert den Turnaround schaffen könnte.
Die Gründe für Schuberts Scheitern sind vielfältig. Zu Beginn schien er in seinem grünen Sweater alles Glück der Fußballwelt gepachtet zu haben. Schubert konnte anpacken was er wollte - es fluppte. Bis zu diesem im Nachhinein verhängnisvollen Sieg gegen Bayern München im Dezember 2015. Er hatte Pep Guardiola eins ausgewischt, hatte den Großmeister schachmatt gesetzt. Mit diesem Sieg, so schien es, sah sich Schubert emanzipiert vom Favre-Fußball, den die meisten immer noch als Basis des Erfolges sahen.
Die sagenumwobene Dreierkette, die Entdeckung des Nico Elvedi – das war Schuberts Identität. Hierauf wollte er aufbauen und Borussia weiterentwickeln. Mit durchaus guten Ideen, die zur Gladbacher Philosophie passten.
Als es zum Ende der Hinrunde und zu Beginn der Rückrunde immer mehr Gegentore setzte, kam erstmals Kritik an Schubert auf. Der reagierte und korrigierte den zu forschen Stil zugunsten einer stabileren Defensive. Fortan war die Balance besser, wenn auch längst nicht optimal. Letztlich reichte die Performance aus, um sich den vierten Tabellenplatz zu sichern. Angesichts des Katastrophenstarts eine Sensation, die aber auch dadurch ermöglicht wurde, dass die Konkurrenz abschmierte.
Zum Trainingsbeginn im Sommer hatte Borussia einen Kader beisammen, der allseits als der qualitativ Stärkste der Neuzeit eingestuft wurde. Die erste Herausforderung wurde gemeistert: Das Team war zum Pflichtspielauftakt auf der Höhe, qualifizierte sich für die Champions-League, erfüllte die Pflichtaufgabe im Pokal und besiegte Leverkusen am ersten Spieltag in der Liga.
Doch danach ging es zunächst schleichend, aber kontinuierlich bergab. Schubert verlangte von seinen Spielern höchste Flexibilität in Bezug auf System und Positionen. Hierbei wurde offensichtlich, dass der Trainer sich und seine Spieler überforderte.
Schubert unterschätzte die Situation, dass er aufgrund der ganzen englischen Wochen kaum Gelegenheit hatte, mehr als nur oberflächlich mit dem Team zu arbeiten. Hinzu kam, dass wichtige Basisspieler lange mit Verletzungen ausfielen und viele Akteure aufgrund der Belastung und der variierenden Aufgabenstellungen immer verunsicherter agierten.
Zu der ungünstigen Entwicklung trug sicherlich auch bei, dass der Fußballgott begann, für all das enorme Glück, das er im Herbst 2015 kübelweise über André Schubert ausgekippt hatte, Zinsen einzufordern. In diesem Herbst hatte die Floskel vom ‚fehlenden Matchglück‘ in Gladbach Hochkonjunktur. Es ging so gut wie alles schief, was nur schiefgehen konnte.
Diese ganze Gemengelage führte dazu, dass der Absturz eine unaufhaltsame Eigendynamik entwickelte, die von Schubert am Ende eher befeuert als gebremst wurde. Das Ergebnis: Borussia steht im Tabellenkeller und André Schubert ist seinen Job los.
Wie es dazu gekommen ist, lässt sich anhand des geschilderten Sachverhalts nachvollziehen. Unbeantwortet bleibt allerdings die Frage, warum André Schubert in seinen intensiven 15 Monaten in Mönchengladbach immer mit Vorbehalten zu kämpfen hatte.
Trotz der Erfolgsserie mit Glücks-Pulli und ‚Schubi-Du‘-Schlagzeilen wurde ein Großteil der Fans nie warm mit Schubert. Das lag zunächst sicherlich daran, dass im September 2015 eigentlich niemand einen neuen Trainer, egal ob nun André Schubert oder sonst wen, haben wollte. Alle standen unter Schock, weil Lucien Favre die Brocken hingeschmissen hatte. Klar, es musste irgendwie weitergehen und okay, Schubert löste ein paar Fesseln und die Mannschaft kam wieder in die Spur. Das, da waren sich alle sicher, hätte Favre auch geschafft, wenn er geblieben wäre. Die Realität zu akzeptieren, dass die Ära Favre wirklich vorbei sein sollte, fiel nach viereinhalb Jahren unfassbar schwer.
Doch es war nicht nur der übermenschliche Schatten von Lucien Favre, aus dem Schubert nie heraustreten konnte. Schubert ist einfach kein Menschenfänger, dem die Sympathien zufliegen. Ihm fehlt eine Aura, eine gewisse Natürlichkeit. Der Eindruck war, dass da jemand in die Rolle eines Trainers geschlüpft ist und diese in aller Professionalität und einem gewissen Hang zur Besserwisserei ausfüllt. Der echte Mensch hinter dem Trainer blieb der Öffentlichkeit jedoch verborgen.
Dieses Bild verfestigte sich auch im persönlichen Umgang mit André Schubert abseits der Kameras und Mikrofone. Er war aufgeschlossen und kommunikativ, verfiel aber immer wieder in einen etwas ‚oberlehrerhaften‘ Modus. Gleichzeitig blieb er stets in einer Art Lauerstellung, so als ob er selbst bei einem lockeren Plausch unmittelbar mit einem Angriff rechnen würde.
Am Ende wird André Schubert als ein ungelöstes Rätsel in die Gladbacher Geschichte eingehen. Er hat bewegende 15 Monate bei Borussia erlebt, sich ehrenhaft verhalten und hochanständig verabschiedet. Und doch ist er immer der Interimstrainer geblieben, der in Mönchengladbach nie wirklich angekommen ist.