Es war ein seltsamer Fußballnachmittag in Hannover. Auf der einen Seite standen da die Gastgeber, die sich ganz offensichtlich mit dem Unvermeidlichen abgefunden hatten. »Es reicht nicht«, bekannte Trainer Doll nach dem Schlusspfiff. Das Stadium, sich in irgendwelche Durchhalteparolen zu flüchten, hat man bei 96 hinter sich. Fünf Spieltage vor Saisonende wird die weiße Fahne gehisst - Hannover ist aller theoretischen Möglichkeiten zum Trotz abgestiegen.
Auf der anderen Seite waren da die Gladbacher, die sich zu einem Pflichtsieg durchrangen, ohne dabei Begeisterungsstürme auszulösen. »Wir haben gewonnen«, stellte Sportdirektor Max Eberl lapidar fest. »Es war sicher kein berauschendes Fußballfest.« Über allem schwebte die tragische Verletzung von Kapitän Lars Stindl nach einer halben Minute (siehe Extra-Bericht). Auch wenn unmittelbar nach Schlusspfiff die Diagnose Schienbeinbruch noch nicht feststand, so wusste jeder, dass es den Kapitän schlimm erwischt hatte.
»Wir hätten schon in der ersten Halbzeit in Führung gehen müssen«
»Das trifft mich hart«, sagte Noch-Trainer Dieter Hecking. »Der Junge ist viel zu wichtig für uns als Mannschaft. Das ist ein sehr schwerer Verlust in der Endphase der Meisterschaft.« Heckings Team brauchte zu Beginn einige Zeit, um den Schock der Stindl-Verletzung abzuschütteln. Nach einer Phase der Verunsicherung mit Chancen auf beiden Seiten, übernahmen die Borussen immer mehr die Spielkontrolle. Das 3-4-1-2 System erwies sich gegen die limitierten Hannoveraner als guter Griff.
Kramer und Zakaria sorgten mit guter Raumaufteilung und griffigem Zweikampfverhalten dafür, dass Umschaltversuche der Gastgeber zumeist schon im Keim erstickt wurden. »Es war wie gegen Werder, wir waren sehr aggressiv«, sagte Zakaria. Das sorgte einerseits für Selbstvertrauen, demotivierte andererseits die Hannoveraner. Ärgerlich nur, dass die Borussen daraus zunächst kein Kapital schlagen konnten. »Das müssen wir uns vorwerfen lassen«, bestätigte Matthias Ginter. »Wir hätten schon in der ersten Halbzeit in Führung gehen müssen.«
Glücklicher Treffer von Raffael - Ohne Not die Spielkontrolle verloren
»Es ärgert mich, wie fahrlässig wir mit den Chancen umgehen«, sagte Dieter Hecking und dürfte damit besonders Thorgan Hazard und Florian Neuhaus gemeint haben. Immerhin fiel in der 53. Minute der längst überfällige Führungstreffer, wobei hier eine Menge Zufall im Spiel war. Dass der Ball von Neuhaus bei Raffael landete, war nicht so geplant und die anschließende Bogenlampe des Brasilianers hatte nur wenig mit dessen fraglos vorhandener fußballerischer Genialität zu tun. Vielmehr war es eine Art Pressschlag mit Julian Korb, durch den die Flugkurve entstand. »Der war ja nicht mal richtig abgefälscht«, sagte der Ex-Borusse. »Eigentlich hatte ich den Ball komplett geblockt, aber der geht dann so rein.«
Die Führung erwies sich allerdings nicht als der erhoffte ›Brustlöser‹. Im Gegenteil - ohne Not gaben die Borussen die Spielkontrolle aus der Hand. »Ich hätte mir gewünscht, dass wir da mehr nachsetzen und das zweite Tor machen«, sagte Hecking. Doch seine Mannschaft ließ sich zu einem gewagten Tanz auf der Rasierklinge ein. »Das sind genau die Spiele, wo du nachher noch einen bekommst«, sagte Yann Sommer. Hätte der Schweizer nicht so hervorragend gegen Weydandt reagiert, wäre die Sache mit Champions-League vorbei.
Zakaria angeschlagen: »Ich denke, es wird gehen«
So aber bleiben die Borussen durch den Arbeitssieg in Hannover in der Verlosung. »Das Hauptziel ist erreicht«, sagte Sommer. »Der Sieg tut dem Kopf gut«. »Wir haben noch fünf Spiele, wo alles möglich ist«, ergänzte Matthias Ginter. »Wir können uns auf einen spannenden Endspurt freuen.« Bei diesem wird Denis Zakaria aller Voraussicht nach mitwirken können. Der Schweizer musste vorzeitig angeschlagen vom Platz, gab anschließend aber zumindest eine Teil-Entwarnung: »Ich habe eine falsche Bewegung gemacht, aber es ist nicht so schlimm«. Zakaria hatte Probleme im Bereich der Rippen. »Wir müssen es noch kontrollieren, aber ich denke, es wird gehen«, sagte er mit Blick auf das Spiel gegen Leipzig. Dort wird der Schweizer mit seiner Aggressivität mehr gebraucht denn je.
von Marc Basten und Jan van Leeuwen