Als Borussia Mönchengladbach am 7. Spieltag beim 5:1 über den FC Augsburg erstmals die Tabellenspitze eroberte, musste Abwehrchef Matthias Ginter nach 81 Minuten verletzt vom Platz. Bei einer Rettungsaktion hatte sich der Nationalspieler eine Schulterverletzung zugezogen, die nach ersten Befürchtungen eine monatelange Ausfallzeit hätte nach sich ziehen können. Zum Glück war keine Operation erforderlich und so stand der 25-Jährige nach vier verpassten Pflichtspielen in der Bayarena wieder in der Startelf.
»Die Schulter hat keine Probleme mehr gemacht«, sagte Ginter nach den aufreibenden 98 Minuten in Leverkusen. Ein Tape und eine Bandage schützten die Schulter und nur bei ein oder zwei direkten Duellen war zu sehen, dass Ginters Körperhaltung etwas anders war, als gewohnt. Doch wirklich bemerkbar waren die leichten Einschränkungen nicht.
Etwas ungewohnt war auch die Aufgabenstellung, die auf Ginter zukam. Zu Beginn agierte er als mittlerer Mann einer Dreierabwehrkette, flankiert von Tony Jantschke (rechts) und Nico Elvedi (links). Im Verlauf der ersten Halbzeit stellte Marco Rose gegen den Ball auf Viererabwehrkette um und beorderte Ginter vor die Kette. Dort ›durfte‹ er die Räume zulaufen und die Kreise von Kai Havertz einengen.
Ob ihm wegen des größeren läuferischen Aufwands auf dieser Position kurz vor dem Pausenpfiff vielleicht etwas körperliche und geistige Frische fehlte, ist reine Spekulation. Doch der Fauxpas, mit dem er den Ball an Alario vertändelte und der zu einer 100%igen Chance auf das 2:1 kam, war schon frappierend. »Ich wollte eigentlich den Ball annehmen, aber er ist versprungen«, sagte Ginter. »Ich war sehr froh, dass er nicht reingegangen ist«. Fraglos hätte das Spiel dann einen anderen Verlauf genommen.
So aber entwickelte sich nach der Pause eine Abwehrschlacht. »Es war klar, dass Leverkusen immer weiter anschieben wird und wir das aushalten müssen. Wir haben mit allem verteidigt, was wir hatten. Natürlich auch mit dem Quäntchen Glück in der einen oder anderen Situation, was man braucht, um hier die drei Punkte mitzunehmen.« Kurz vor dem Ende wurde Ginter von Krämpfen geplagt, aber er biss sich durch - Wechseloptionen gab es ohnehin keine mehr.
Nach dem Schlusspfiff strahlte Ginter eine Mischung aus Erschöpfung, Erleichterung und Freude aus. Die Borussia ist immer noch Tabellenführer. »Es ist keine Eintagsfliege mehr, aber es ist noch wahnsinnig lang zu gehen. Es wird sich zeigen, wenn es Richtung Frühling geht. Wenn wir im März immer noch da oben stehen, dann würden wir uns alle freuen.« In der Vorsaison verdaddelte Borussia die tolle Ausgangsposition auf einen Champions-League-Platz, als man am 20. Spieltag vor den Bayern auf Platz 2 vorrückte und erstmals als Meisterschaftsanwärter hochgejubelt wurde. Es folgte ein historischer Absturz, der auch darin begründet lag, dass manch ein Spieler sich weiter wähnte, als er wirklich war.
»Ich glaube nicht, dass jemand in unserer Kabine vom Titel träumt oder irgendwelche Anstalten macht, die Meisterfeier zu planen«, sagte Ginter am Samstag. Die Erfahrungen aus dem letzten Jahr sollten helfen, es diesmal besser zu machen.
von Marc Basten und Jan van Leeuwen