Der Terminkalender im Profifußball ist aufgrund der Corona-Pandemie eng wie nie, allenthalben wird die extreme Beanspruchung beklagt, der die Spieler ausgesetzt sind. Das Wort ›Belastungssteuerung‹ wird in diesen Wochen und Monaten gerade bei den Klubs überstrapaziert, die - wie Borussia Mönchengladbach - in den internationalen Wettbewerben starten. Die Sorge, dass man die Profis verheizt und einem unverantwortlichen Verletzungsrisiko ausliefert, schwebt bei den Spielen im Dreitagesrhythmus über allem.
»Bisher sind wir gut durchgekommen«, sagte Borussias Trainer Marco Rose, kurz bevor der erste ›Block‹ der englischen Wochen beendet war. Tatsächlich sind die Gladbacher von den allseits gefürchteten Muskelverletzungen verschont geblieben. Dazu gehört sicherlich Glück, aber eben auch eine vorausschauende Planung von Trainerstab und medizinischer Abteilung. Rose ließ kürzlich durchblicken, wie kompliziert das alles ist, weil jeder Spieler unterschiedlich auf derartig hohe Strapazen reagiert - sowohl physisch als auch psychisch.
Länderspiele ohne sportlichen Wert
So haben sie die aktuelle Länderspielpause herbeigesehnt, damit alle mal durchpusten können. Mit Ausnahme der Nationalspieler natürlich, die ja bei ihren Länderteams gefordert sind. Dort wurden neben den Pflichtspielen auch noch Freundschaftsspiele in den ohnehin aus allen Nähten platzenden Kalender gepresst. Spiele, die keinerlei sportlichen Wert haben, weil selbst die Nationaltrainer kaum einen Sinn in diesen Partien sehen. Entsprechend treten in diesen Tagen überall die B- und C-Vertretungen der jeweiligen Nationen zu nutzlosen Kicks an.
Auch Bundestrainer Joachim Löw beklagt sich über die vielen Ansetzungen und sieht solche Freundschaftsländerspiele wie das gegen Tschechien am Mittwoch skeptisch. Entsprechend berief er einen breiten Kader, schonte seine viel belasteten ›Stars‹ und ließ die ›Nachrücker‹ den Pflichttermin in Leipzig absolvieren. Blöd nur, wenn bei diesen Nachrückern auch Spieler sind, die bei ihren Vereinen genauso - oder aufgrund deren beschränkteren Rotationsmöglichkeiten sogar noch mehr - gefordert sind.
Normalerweise hätte man Hofmann in diesen Tagen in Watte packen müssen
Das trifft zweifelsfrei auf Florian Neuhaus und Jonas Hofmann zu. Beide wurden in den letzten Wochen bis an die Grenze der Verantwortlichkeit belastet, doch beide standen am Mittwoch in der Startelf. Neuhaus hielt die 90 Minuten durch und spielte dabei sogar recht gut - vielleicht hat ihm die Auswechslung zur Pause in Leverkusen am Sonntag geholfen, dieses Länderspiel durchzustehen. Für Jonas Hofmann, der in Leverkusen auf mehreren Positionen durchgespielt hatte, lief es im Trikot der Nationalmannschaft weniger gut.
Sieben Spiele hat Hofmann in den letzten 23 Tagen für die Borussia absolviert, davon sechsmal in der Startelf und fünfmal über die komplette Spielzeit. Jedesmal gehörte Hofmann zu den laufstärksten Spielern, stets wurde er für seinen immensen Einsatz gelobt. Dazu entwickelte er sich zu einem Schlüsselspieler für Borussia, der in den entscheidenden Momenten den Unterschied ausmachen kann. Normalerweise hätte man Hofmann in diesen Tagen in Watte packen oder zumindest in Per Mertesackers berühmte Eistonne stecken müssen, damit er für den nächsten Block an englischen Wochen Kräfte sammeln kann.
Lange Zwangspause für Jonas Hofmann
Doch stattdessen ruft der Bundestrainer. Für den 28-Jährigen Jonas Hofmann ist die Nominierung für die Nationalmannschaft natürlich eine ganz besondere Ehre und es ist nachvollziehbar, dass er Löw nicht den Vogel zeigt, wenn der ihn aufstellen will - selbst in so einem unbedeutenden Kick wie gegen Tschechien. Und so kam es, wie es kommen musste: Jonas Hofmann bestritt sein zweites Länderspiel, musste aber bereits nach 18 Minuten mit einer Oberschenkelverletzung ausgewechselt werden. Am Donnerstag gab der DFB dann die befürchtete Diagnose bekannt: Jonas Hofmann hat sich einen Muskelbündelriss im rechten Oberschenkel zugezogen. Damit steht fest, dass Hofmann und Borussia die Nachwirkungen dieses Unsinns-Kicks in Leipzig noch lange und heftig spüren werden.
von Marc Basten / Update: 12.11.20 15:55 Uhr