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Spanien gnadenlos, England retten zwei lichte Momente

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Nico Williams und Lamine Yamal tanzen mit Spanien ins Viertelfinale (Foto: Alex Grimm - Getty Images)

England und Spanien stehen im Viertelfinale, Spanien wird dort auf Deutschland treffen. Die Iberer besiegten tapfere Georgier gnadenlos mit 4:1. Derweil retteten sich die Engländer nach erneut schwacher Leistung mit zwei lichten Momenten in letzter Sekunde. Die EM-Kolumne, Teil 15.

Was ist nur mit England los? Nach jedem Spiel bei diesem Turnier wird auf die Briten eingedroschen ob des schlimmen Fußballs, den sie spielen. Nicht nur ZDF-Experte Christoph Kramer zeigt sich durchweg entsetzt, wenn er über die Performance der Engländer spricht. Auch in England selbst prügeln Kommentatoren und die Presse auf Southgate und seine Mannen ein. Und das völlig zurecht. Denn auch für den neutralen Zuschauer sind die Spiele mit englischer Beteiligung eine echte Zumutung. 

Das war in der Vorrunde so und setzte sich im Achtelfinale am Sonntag gegen die Slowakei nahtlos fort. Langsam, einfallslos, träge und teilweise fast schon apathisch - so stolperten die hoch dotierten Stars über den Rasen in Gelsenkirchen. Die Slowaken nutzten das aus und gingen durch Schranz (25.) verdient in Führung. England musste nun einem Rückstand hinterherlaufen, agierte aber weiterhin so einfallslos, dass ein Ausscheiden die verdiente Konsequenz gewesen wäre. 

Ausgerechnet Bellingham 

Immerhin muss man England zugutehalten, dass sie etwas aktiver wurden als die Italiener am Vortag gegen die Schweiz. Das hing auch damit zusammen, dass die Slowaken im Verlauf der zweiten Halbzeit immer mehr abbauten und es nicht schafften, für wirkliche Entlastung zu sorgen oder sogar den vorentscheidenden zweiten Treffer zu erzielen. Dennoch blieben die Engländer bis weit in die deutlich zu großzügig bemessene Nachspielzeit von acht Minuten harmlos - bis Bellingham in der 96. Minute per Fallrückzieher traf. 

Ausgerechnet Bellingham, der mit seiner zur Schau getragenen Arroganz - auch und besonders seinen Mitspielern gegenüber - zur unsympathischsten Person der EM mutiert. Das Tor war natürlich sehenswert, doch der Großteil der neutralen Zuschauer wird enttäuscht aufgestöhnt haben. Diese Verlängerung hatte sich England nicht verdient. Und aus dem Aufstöhnen wurde ein verzweifeltes Abwinken, als Harry Kane direkt nach Beginn der Verlängerung das 2:1 köpfte. Der Torjäger der Bayern war bis dahin genauso blass wie seine Mitspieler, aber hier war er zu Stelle (91.). Damit war den Slowaken der Stecker gezogen, England schaltete wieder in den Verwaltungsmodus und brachte den Sieg über die Zeit. 

Haltet doch auch einfach mal die Klappe

Wer das Spiel im ZDF geschaut hat, der musste zusätzlich leiden. Neben dem Spielgeschehen sorgte auch das Kommentatoren-Duo Claudia Neumann und Moritz Volz für Unwohlsein. Es hat sich ja aus unerfindlichen Gründen durchgesetzt, einem Kommentator einen Experten an die Seite zu stellen, der nicht nur gelegentlich etwas beisteuert, sondern ständig im Erzählmodus ist. Es ist extrem anstrengend, einem lahmen Fußballspiel zu folgen, wenn dort gleichzeitig zwei Personen inhaltsleere Dialoge führen und dabei krampfhaft unterhaltsam sein wollen. Guckt doch einfach das Spiel, verwechselt nicht andauernd die Spielernamen und konzentriert euch darauf, Situationen richtig zu beurteilen. Und haltet zwischendurch auch einfach mal die Klappe. 

Auch am Abend in der ARD gab es mit Tom Bartels und Almuth Schult ein Duo am Mikrofon. Die beiden machten es vergleichsweise ordentlich, was auch daran gelegen haben könnte, dass das Spiel an sich schon unterhaltsam war. Spanien war von Beginn an auf Betriebstemperatur und hinterließ erneut Eindruck. Es ist schon erstaunlich, wie aus dem spanischen Ballbesitzfußball, der viel Quergeschiebe beinhaltete, nun ein aktiver und stets nach vorne gerichteter Fußball geworden ist. Das führt zwar zu mehr Ballverlusten, aber durch die fast schon unmittelbar folgende Rückeroberung behalten die Spanier die Kontrolle und stressen den Gegner permanent. 

Tapfere Georgier - Bärenstarke Spanier

Die Georgier hielten tapfer dagegen und zeigten, dass Konterfußball immer noch eines der schönsten Stilmittel ist. Mit dem ersten Konter gelang die Führung - das Eigentor von Le Normand (18.) wurde regelrecht erzwungen. Doch die Spanier zeigten sich unbeeindruckt, hielten das Tempo hoch und ließen den Georgiern kaum Luft zum Atmen. Der Ausgleich durch Rodri (39.) war hochverdient - da konnte auch der erneut starke Keeper Mamardashvili nichts ausrichten. Zwar blieb Spanien gelegentlich anfällig für Konter, doch die Georgier schafften es nicht mehr, diese zu Ende zu spielen. Die Kräfte ließen zusehends nach und letztlich hatten sie keine Chance mehr gegen die übermächtigen Spanier. 

Fabian (51.), Nico Williams (75.) und Dani Olmo (83.) sorgten für den auch in dieser Höhe verdienten 4:1-Sieg. Die Georgier verabschieden sich erhobenen Hauptes aus dem Turnier - sie waren das erfrischende Überraschungsteam und haben wirklich Spaß gemacht. Spanien unterstrich dagegen nochmals eindrucksvoll seine Favoritenrolle. Es ist wirklich bedauerlich, dass es schon im Viertelfinale zum Duell zwischen Deutschland und Spanien kommt. Dass die Spanier zum Straucheln gebracht werden können, ist nur schwer vorstellbar. Aber in so einem Turnier geht es auch darum, das Unmögliche möglich zu machen. 

 

von Marc Basten

 

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