Als das Transferfenster am letzten Freitag endlich geschlossen wurde, konnten die Borussen aufatmen. Auf den letzten Drücker wurde Manu Koné an die AS Rom abgegeben. Die dringend benötigen Transfererlöse - wann und wie viel Geld auch immer letztlich auf dem Konto der Fohlen landet - wurden dadurch erwirtschaftet. Damit sind die »Vorleistungen«, die man durch die frühen Transfers von Sander, Stöger und Kleindienst getätigt hat, gedeckelt.
Neben Koné konnte man zudem mit Jantschke, Herrmann, Wöber, Jordan und Kramer fünf weitere Spieler von der Gehaltsliste streichen, was dazu führen sollte, dass sich in diesem Sommer in Bezug auf die Personalkosten alles die Waage hält. Damit ist aber auch klar, dass sich die Erwartung, Borussia werde ein vertretbares finanzielles Risiko eingehen, um einen weiteren Absturz zu vermeiden, nicht erfüllt hat. Die Frage bleibt, ob die getätigten Transfers und die sonstigen Veränderungen und Anpassungen tatsächlich dazu ausreichen, den Trend der letzten Jahre umzukehren.
Eine sicht- und spürbare Mentalitätsveränderung
Die Hoffnung, dass es funktionieren könnte, wird durch den Saisonauftakt gestärkt. Wie sich schon in der Vorbereitung angedeutet hatte, erweisen sich die drei Neuzugänge als Volltreffer. Vor allem Kleindienst und Stöger bringen eine erwachsene Selbstverständlichkeit mit, an der sich auch die Mitspieler orientieren können. Die individuelle fußballerische Qualität der drei Neuen alleine würde normalerweise nicht ausreichen, um eine wirkliche Transformation in einer Mannschaft herbeizuführen. Aber da sie auf und neben dem Platz auch für eine sicht- und spürbare Mentalitätsveränderung sorgen, könnte der Plan aufgehen.
Dazu gehört auch, dass Gerardo Seoane von Beginn der Vorbereitung an eine klare Linie verfolgt. Viererkette, zwei Sechser, eine flexible Dreierreihe und davor ein Mittelstürmer - auf diese Ausrichtung hat er sich festgelegt und in diesem Korsett wird trainiert und gespielt. Davon profitiert u. a. ein Julian Weigl, der nun nicht mehr als alleiniger Sechser den Gegnern hinterherlaufen muss, sondern sich auch endlich wieder dem Fußballspielen widmen kann. Einem Alassane Plea wird immer mehr bewusst, dass er mit Stöger einen kongenialen Partner bekommen hat, mit dem er fußballerisch auf einer Wellenlänge liegt. Ein Franck Honorat stellt erfreut fest, dass mit Kleindienst inzwischen jemand da ist, der mit Flanken und Pässen etwas anfangen kann.
Kein neuer Abwehrspieler für die Schießbude der letzten Saison
Es gibt einige Ansätze und Entwicklungen, die nicht nur zuversichtlich stimmen, sondern sogar richtig Spaß machen. Das ist etwas, was im Zusammenhang mit Borussia in den vergangenen Jahren irgendwo verschütt gegangen ist. Bislang nicht beantwortet ist allerdings die wohl drängendste Frage nach der katastrophalen letzten Saison: Wie soll die Gegentorflut eingedämmt werden? Einen oder besser sogar zwei gestandene Abwehrspieler hätte wohl jeder Gladbach-Fan ganz oben auf die Prioritäten-Liste gesetzt. Doch die Schießbude der Liga gibt mit Max Wöber einen der weniger schlechten Abwehrspieler der Vorsaison ab (Leihende) und entlässt den Defensiv-Routinier Tony Jantschke in den verdienten sportlichen Ruhestand - und holt niemanden dazu.
Auch in einem sehr komplizierten Transfermarkt und trotz der finanziell begrenzten Möglichkeiten hätte man in diesem Bereich zwingend tätig werden müssen. Die Argumentation, dass man gut aufgestellt sei, mit den drei A-Nationalspielern Scally, Itakura, Elvedi und dem U21-Nationalspieler Netz, sowie den erfahrenen Lainer und Friedrich und dem Talent Chiarodia als Backup, ist angesichts der Erfahrungen der Vorsaison etwas fadenscheinig. Gewiss, Itakura wirkt sehr fokussiert, Scally erscheint stabiler und Netz hat im Defensivverhalten Fortschritte gemacht - doch ist das in Summe wirklich ausreichend?
Die Viererkette profitiert von der veränderten Grundordnung
Als Pluspunkt muss sicherlich berücksichtigt werden, dass die neue Grundordnung den Abwehrspielern entgegenkommt. In der Vergangenheit wurde es den Gegnern - ob Topteam oder Drittligist - regelmäßig zu leicht gemacht, Tore zu erzielen. Und das lag nicht (nur) daran, dass Elvedi & Co einen Fauxpas nach dem anderen produzierten. Auch Innenverteidiger der Kategorie Rüdiger oder Tah hätten schlecht ausgesehen, wenn die Gegenspieler ständig ungehindert auf sie zugelaufen wären. Die ersten beiden Saisonspiele haben gezeigt, dass es den Gegnern durch die intensive und geschlossene Arbeit gegen den Ball deutlich schwerer fällt, sich einfach in Position zu bringen. Davon profitieren die Spieler in der Viererkette.
Ob das auf Strecke reicht und wie es aussieht, wenn Sperren und Verletzungen hinzukommen, bleibt abzuwarten. Es ist klar, dass Virkus & Co. keinen für alle Eventualitäten gewappneten Kader zusammenstellen können, wodurch derartige Umstände ohne Qualitätsverlust aufgefangen werden. Dennoch bleibt es dabei, dass man sich im Abwehrbereich personell auf gefährlich dünnem Eis bewegt und das damit verbundene Risiko hätte man durch einen klugen Transfer minimieren können. Jetzt muss man schauen, was passiert und es ist davon auszugehen, dass das Thema im Winter erneut auf den Tisch kommen wird.
Die positive Energie mit in den Herbst nehmen
Bis dahin darf man gespannt und durchaus mit einiger freudiger Erwartung auf die kommenden Wochen und Monate blicken. Der Auftakt in die neue Saison hat Freude bereitet und das war bereits deutlich mehr, als man nach dem letzten Jahr erwarten durfte. Diese positive Energie, welche die Mannschaft ausstrahlt und die sich im Umfeld breitmacht, gilt es mitzunehmen in den Herbst, um eine gesunde Basis für die weitere Entwicklung zu schaffen. Rückschläge sind dabei eingepreist und werden von den Fans auch mitgetragen - sofern die Mannschaft mit der Intensität auftritt, wie in den ersten Spielen.