TF: Was macht eine Japanerin ganz alleine in Mönchengladbach? Die Stadt ist ja nicht gerade ein Touristen-Magnet.
Nana: Nein, das stimmt. Man kann von hier aber schnell einen Ausflug nach Düsseldorf machen, wo es eine große japanische Gemeinschaft gibt. Ich lebe in Tokio und schaue sehr gerne Fußball. Mein absoluter Lieblingsspieler ist Ko Itakura. Ich sehe mir daher jede Woche die Spiele von Borussia von Japan aus an. Aufgrund der Zeitverschiebung finden einige Spiele in Japan vormittags statt, ich schaue sie mir aber alle an. Ich hatte vorher schon Fußballreisen nach Italien und England unternommen. Weil es schon immer mein Traum war, ein Bundesliga-Match live vor Ort zu sehen, habe ich meinen Vater gebeten, nach Deutschland zu fliegen. Und er hat es im Dezember 2023 möglich gemacht. Wir flogen gemeinsam hin.
TF: Wo habt ihr geschlafen?
Nana: Wir waren im H4-Hotel am Stadion untergebracht. Da dreht sich alles um Borussia, und es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Beim Heimspiel gegen Bremen waren wir selbstverständlich im Stadion. Das erste Mal im Borussia-Park – ich war sehr aufgeregt. Werder ging früh in Führung, doch Rocco Reitz erzielte einen Doppelpack. Die Energie im Stadion war unglaublich. Obwohl die Partie 2:2 unentschieden endete, bleibt es für mich ein sehr denkwürdiges Spiel. Wir besuchten das Training und trafen dort Itakura, der mit mir Fotos machte und Autogrammwünsche erfüllte. Wenige Tage später ging es zum Spiel der Borussia in Frankfurt. Die Eintracht war ein starker Gegner, und deshalb habe ich mich riesig gefreut, als wir das erste Tor erzielten. In der Nachspielzeit kassierten wir jedoch zwei Tore und verloren das Spiel letztlich. Ich war enttäuscht, aber das Borussen-Virus hatte mich gepackt.
TF: Seit wann schaust du dir die Spiele der Borussia an?
Nana: Ab der Saison 2022/23. Ich kenne also die Gesichter, Namen und Positionen aller Hauptakteure von damals bis heute.
TF: Und was weißt du über die früheren Zeiten des VfL?
Nana: Mittlerweile auch vieles. Wir haben nämlich die FohlenWelt, das Vereinsmuseum, besucht und an einer wunderbaren Stadiontour teilgenommen. Es war toll, die Geschichte von Borussia und die fantastische Stadionanlage kennenzulernen, Räumlichkeiten zu sehen, in denen man normalerweise keinen Zutritt hat. Ich habe gelernt, dass Itakura eine hervorragende Umgebung zum Arbeiten hat. Ich war besonders glücklich, als ich den Raum betrat, in dem die Pressekonferenzen stattfinden, und als ich durch den Spielertunnel bis an den Rasen lief. Da trafen wir dann zufälligerweise auch noch Trainer Gerardo Seoane, der uns herzlich begrüßte und ein Foto mit uns machte.
TF: Was hältst du vom Stadion?
Nana: Der Borussia-Park ist wirklich großartig. Ich liebe auch die leidenschaftliche Atmosphäre hinter dem Tor. Die Gesänge der Nordkurve, die ganze Atmosphäre, das Drumherum. Abends und nachts ist es wunderschön grün beleuchtet. Es ist ein tolles Gefühl, dieses Stadion zu betreten. Eigentlich möchte ich jedes Spiel hingehen.
TF: Wie gefiel dir der Aufenthalt in Deutschland generell?
Nana: Die Deutschen sind alle sehr nett. Wenn es irgendwelche Probleme gibt, suchen sie sofort nach Lösungen. Mir gefällt auch, wie schnell sie in Geschäften oder zum Beispiel in Taxis mit mir ins Gespräch kommen.
TF: Was macht Itakura für dich zum Lieblingsspieler?
Nana: Bei der Fußballweltmeisterschaft in Katar war Itakura der beste Mann der japanischen Elf. Ich hatte zuvor immer nur den nationalen Fußball in Japan (J-League) geschaut, aber mein Vater war bei der Weltmeisterschaft. Ich dagegen habe es im Fernsehen gesehen. Da habe ich Itakura entdeckt. Wie er für Japan kämpft, ist großartig! Es ist für ihn nicht einfach, wegen Zeitverschiebung und Temperaturunterschied die langen Flüge nach Japan und wieder zurück auf sich zu nehmen, um dort zu spielen. Auch erfuhr ich von Itakuras positiven Seiten außerhalb des Fußballs und seiner wundervollen Persönlichkeit und wollte ihn unterstützen.
TF: Welche Seiten meinst du genau?
Nana: Obwohl Itakura ein bekannter Sportler ist und für die japanische Nationalmannschaft spielt, ist er zu allen freundlich, lächelt oft und ist immer positiv. Dies ist nicht selbstverständlich, und das kann nicht jeder Profi. Ich durfte auch in diesem Jahr einige Trainingseinheiten besuchen und erzählte ihm, dass ich alleine aus Japan gekommen bin und seinen und meinen Geburtstag gefeiert hatte (Anm. d. Redaktion: beide haben am 27.01. Geburtstag). Außerdem sorgte er wieder für Autogramme und Fotos, und zwar immer nett und geduldig. Und manchmal passieren ihm auch lustige Sachen. So wurde beispielsweise vor dem Spiel zwischen Japan und Deutschland im September 2023 Wasser der Sprinkleranlage auf Itakura gesprüht. Das nahm er mit Humor. Ich mag sowas.
TF: Du magst ihn so sehr, dass du in diesem Jahr ganz alleine nach Mönchengladbach gekommen bist …
Nana: Richtig, um wieder das Training zu beobachten und weil es nichts Schöneres gibt, als Spiele live im Stadion zu verfolgen. Und weil ich Borussia in mein Herz geschlossen habe. Ich entschied mich für das Heimspiel gegen den VfL Bochum und das Auswärtsspiel beim VfB Stuttgart. Als ich Ende 2023 da war, hatte Itakura gerade eine Fußoperation hinter sich und konnte verletzungsbedingt nicht spielen. Auch diese Saison musste er gegen Bochum wegen eines Infekts aussetzen. Beim Spiel in Stuttgart konnte ich Itakura also erstmals endlich live spielen sehen. Das 3:0 zuhause hatte ich übrigens exakt getippt, als ihr mich vorher gefragt hattet. Zwei Spiele, zwei Siege!
TF: Es gibt im derzeitigen Kader noch einen Japaner. Wie siehst du den?
Nana: Shio Fukuda ist genauso alt wie ich. Nach dem Abitur ging Fukuda nach Deutschland, anstatt der J-League beizutreten. Zunächst einmal ist seine Entschlossenheit erstaunlich. Er hat gut gespielt in Freundschaftsspielen, die Konkurrenz im Sturm ist jedoch groß. Tim Kleindienst ist ein Top-Torjäger. Ich habe mich, ebenso wie Itakura, für ihn gefreut, als Fukuda gegen Wolfsburg ein Tor schoss. Ich hoffe, dass er bei Borussia den Durchbruch schafft. Er und Ko waren übrigens begeistert, als ich sagte, dass ich extra ihretwegen aus Japan rübergekommen bin.
TF: Gewissensfrage: Was, wenn Itakura zu einem anderen Klub transferiert wird? Wechselst du dann auch die Farben?
Nana: Auch wenn Itakura Gladbach verlässt, wonach es leider aussieht, werde ich die Borussia immer lieben und auf jeden Fall wieder zu einem Spiel gehen wollen. Die Seele brennt!
von Jan van Leeuwen