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Die eigenartige Wahrnehmung von Roland Virkus

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Roland Virkus vor dem Spiel gegen Werder Bremen (Foto: Norbert Jansen - Fohlenfoto)

Borussia Mönchengladbach gewinnt 4:1 gegen Werder Bremen. Das nimmt zunächst einmal Druck vom Kessel, doch natürlich sind durch diesen einen Sieg nicht alle Probleme gelöst. Auch Sportchef Roland Virkus sieht das so. Seine Wahrnehmung zur Stimmungslage erstaunt jedoch und eine weitere Aussage lässt aufhorchen.

Der überzeugende Heimsieg gegen Werder Bremen sorgt dafür, dass im Borussia-Park aufgeatmet werden kann. Angespannt bleibt die Lage trotzdem, denn schon zu oft wurden positive Ansätze postwendend wieder pulverisiert. Gerade diese Unbeständigkeit hat zu einer gewissen Perspektivlosigkeit geführt und die Stimmung rund um Borussia so nachhaltig vermiest. Nur wenn wirklich beständige Entwicklungsschritte erkennbar werden - und seien sie noch so klein - wird sich die Situation verbessern können. 

Von diesen Schritten sprach auch Roland Virkus nach dem Spiel. Das Vertrauen in die sportliche Leitung ist allerdings nach wie vor gering. Der Trainer wird mittlerweile öffentlich angezählt, ließ sich aber nach dem Sieg gegen Werder in keine Richtung locken. Gerardo Seoane umschiffte das Thema Pfiffe gegen seine Person, indem er sagte, davon nichts mitbekommen zu haben, weil er in der Kabine gewesen sei. 

Eine steile These von Virkus

Sportchef Roland Virkus konterte derweil in der Mixed-Zone unsere Frage nach der negativen Stimmung mit der Behauptung, dass »die Erwartungshaltung so ist, dass wir eigentlich Champions-League spielen müssen. So nehme ich das wahr.« Diese steile These untermauerte er, deutlich in Rage, mit einer kuriosen Aussage: »Die Mannschaft hat nichts mehr mit der zu tun, die vor sieben Jahren in der Champions League gespielt hat. Alassane Plea ist noch da und alle anderen gibt es nicht mehr«.

Natürlich hat Borussia nicht zuletzt vor sieben Jahren in der Champions League gespielt, sondern noch im Frühjahr 2021. Und neben Plea gehörten auch noch Sippel, Elvedi, Neuhaus, Lainer und Reitz dem damaligen Aufgebot für die Königsklasse an, während Plea vor sieben Jahren noch gar nicht in Gladbach war. Diese Verdrehung der Fakten sollte man gewiss nicht auf die Goldwaage legen, aber dennoch muss die grundsätzliche Wahrnehmung des Sportchefs schon hinterfragt werden. Wie um alles in der Welt kommt er darauf, dass Fans und Umfeld nach der Entwicklung der letzten Jahre die Erwartungshaltung hätten, Borussia gehöre in die Champions League? Realitätsferner kann man kaum argumentieren. 

Niemand hat vergessen, wo Borussia herkommt

Gewiss, in den letzten zwanzig Jahren hat sich mit den Ultras eine neue Fankultur entwickelt und in den erfolgreichen 10er-Jahren hat eine gewisse Anzahl an Personen den Weg in den Borussia-Park gefunden, weil Borussia plötzlich international spielte. Doch die überwiegende Basis der Anhängerschaft ist immer noch geprägt durch den Realismus, den Hans Meyer in Mönchengladbach mit Nachdruck implementiert und den Lucien Favre weitergeführt hat. Niemand hat vergessen, wo Borussia herkommt. Gladbach-Fans haben gelernt, genau zu reflektieren und Zusammenhänge zu verstehen. Ihre aktuellen Sorgen um die Entwicklung des Klubs sind fundiert und sehr berechtigt. Und sie haben nichts mit einer überzogenen Erwartungshaltung zu tun. Wenn der Sportchef das wirklich denkt, hat er noch weniger verstanden als bislang angenommen. 

Doch weit besorgniserregender als die Vermutung, dass Roland Virkus die Fans falsch einschätzt, sind seine weiteren Aussagen: »Ich bin in einer sportlich wie finanziell absolut beschissenen Situation hier eingestiegen«, sagte er sichtlich erregt.  »Und wir wollten im Sommer schon was machen, konnten das nicht, weil ich mich hier solidarisch zu diesem Klub bekennen muss. Da geht es nicht nur um Spieler kaufen, sondern auch darum, den Klub zu konsolidieren. Da sind wir bei. Deswegen konnten wir im Sommer nichts machen und werden sehr wahrscheinlich auch im Winter nichts machen können. So ist das leider im Leben. Aber damit habe ich kein Problem, weil die Mannschaft heute gezeigt hat, dass sie auch in der Konstellation gute Leistungen abrufen kann.«

Borussia finanziell kaum handlungsfähig?

Vielleicht wollte Virkus tatsächlich nur erklären, dass die finanziellen Möglichkeiten halt begrenzt sind und nicht alles umgesetzt werden konnte, was man sich vorgestellt hat. Doch seine Sätze lassen sich fraglos auch so zusammenfassen: Der Klub war finanziell am Boden, als Virkus einstieg, und er ist immer noch so begrenzt handlungsfähig, dass selbst ein Ausleihgeschäft eines dringend benötigten Abwehrspielers im Sommer nicht mehr drin war. Und Kaderkorrekturen wahrscheinlich auch im Winter nicht möglich sind. 

Sollte bei Borussia tatsächlich finanziell alles so auf Kante genäht sein, dann müsste nicht nur der Rückzug von Finanzgeschäftsführer Stephan Schippers in einem anderen Licht betrachtet werden. Andererseits ist bekannt, dass Borussias Gehaltsniveau im Ligavergleich immer noch in der oberen Hälfte angesiedelt ist und Transfers jenseits der 5 Millionen (plus Gehaltskosten) für Ngoumou, Weigl, Čvančara oder Kleindienst unter Virkus ebenso finanziert wurden, wie teure Vertragsverlängerungen von Neuhaus oder jüngst Hack. Das spricht eher dafür, dass schon ein angemessenes Budget vorhanden ist, die Verwendung aber nicht die gewünschte sportliche Stabilisierung mit sich gebracht hat. Wo wir wieder beim Verantwortungsbereich von Roland Virkus sind. 

Die Anhänger für blöd zu verkaufen funktioniert nicht

Borussia Mönchengladbach hat immer noch das Potenzial, sich wieder zu einem stabilen und realistisch ambitionierten Bundesligaklub zu entwickeln. Ob Roland Virkus wirklich der richtige Mann für dieses Projekt ist, darf zumindest angezweifelt werden. Dass ihm durch die Trennung von Nils Schmadkte in diesem Bereich eine Art ‘Eberl’sche Allmacht’ eingeräumt wurde, ist keinesfalls von Vorteil. Die Anhänger für blöd zu verkaufen und zu meinen, sie mit widersprüchlichen Plattitüden abspeisen zu können, ist auch kein schlauer Move. Mit seiner Art der Kommunikation wird Roland Virkus es nicht schaffen, sich das Vertrauen im Umfeld zu erwerben, das in dieser Position dringend benötigt wird. 

 


von Marc Basten
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