Raúl Bobadilla ist zurück in Gladbach. Diese Nachricht sorgte am Donnerstag allenthalben für großes Erstaunen. Die Reaktionen fielen unterschiedlich aus. Viele freuten sich, weil sie irgendwie diesen bulligen Argentinier und dessen emotionale Art schon immer gemocht haben. Anderen wich die Farbe aus dem Gesicht, weil sie sich nicht vorstellen konnten, dass Borussia es nochmals mit diesem unberechenbaren Chaoten versuchen würde.
Fürwahr muss man im ersten Moment stutzen. Borussia, die für Transfers von jungen und entwicklungsfähigen Spielern steht, holt einen 30-jährigen Profi für kolportierte 2 bis 3 Millionen Euro, der zudem eine bewegte Vergangenheit hat und als verletzungsanfällig gilt. Das passt nur schwer zusammen, zumal sich der Verein auch über die einwandfreien Charaktere in der Mannschaft identifiziert.
Raúl Bobadilla ist somit der komplette Gegenentwurf zum ›typischen Gladbachprofi‹. Doch genau darin liegt die Perspektive, die sich mit seiner Verpflichtung auftut. In der Riege der ›braven Schwiegersöhne‹ von Borussia kann man einen wie Bobadilla gut gebrauchen. Wenn man bedenkt, mit welchen Mitteln z.B. Eintracht Frankfurt in der letzten Saison gegen Borussia ungeschlagen blieb und das Halbfinale für sich entschied, hätte eine ›Portion Boba‹ sicherlich gutgetan.
Die Gegenspieler werden den Sitz der Schienbeinschoner checken
Wenn künftig eine zentrale Achse mit Vestergaard, Zakaria und Bobadilla auftaucht, werden die Gegenspieler ganz automatisch Respekt haben und den SItz ihrer Schienbeinschoner checken. Auch die Option, mit Bobadilla endlich jemanden für die ›Operation Brechstange‹ bringen zu können, macht durchaus Sinn. Der Typ ›Mentalitätsmonster‹ wurde mit André Hahn abgegeben - diese Rolle kann Bobadilla sicher füllen.
Zudem muss bei diesem Transfer bedacht werden, dass die Marktlage äußerst kompliziert ist. Dieter Hecking räumte am Donnerstag ein, dass man viel »abgewogen und probiert« habe, was »aber nicht umsetzbar war.« Es haben sich demnach einige Überlegungen zerstreut. Der ›andere Stürmertyp‹, der sofort weiterhilft und dennoch jung und entwicklungsfähig ist, war offensichtlich nicht erschwinglich. Angesichts der Ablösesummen, die derzeit aufgerufen werden, überrascht das nicht wirklich.
Die zweite Chance nutzen
So macht die Last-Minute-Entscheidung pro Bobadilla schon Sinn. Dennoch birgt sie auch ein Risiko. Bobadilla stand sich in seiner bisherigen Karriere oft selbst im Weg und es nicht klar, ob er wahrhaftig gereift ist. Ob er tatsächlich fit ist und auch dann voll motiviert trainiert, wenn er samstags nur auf der Bank sitzt und lediglich ein paar Kurzeinsätze bekommt, bleibt abzuwarten. Aus Augsburg vernimmt man jedenfalls, dass Bobadilla zuletzt als unzufriedener Ersatzspieler eher ein Störfaktor war.
In Bobadillas erster Zeit in Gladbach ist es den Verantwortlichen nicht gelungen, den ›wilden Stier‹ zu zähmen. Damals schob man ihn entnervt ab. Jetzt folgt der zweite Versuch. Es kann gutgehen, aber genauso krachend scheitern. Borussia und Bobadilla haben sich auf eine zweite Chance geeinigt. Sie sollten sie nutzen.