Als kurz vor der Partie gegen Borussia Dortmund die ersten Gerüchte durchsickerten, dass bei der Gladbacher Borussia eine Trennung von Trainer Daniel Farke konkret werden könnte, war zunächst Skepsis angesagt. Schließlich hatte Sportdirektor Roland Virkus erst kürzlich verlauten lassen, dass Daniel Farke die Chance verdient hätte, den Neuaufbau zu leiten. Das war keine Jobgarantie oder eine ‘Knallhart-Ansage’, wie der Klick-Boulevard titelte, sondern eher eine wachsweiche Formulierung. Aber da öffentlich sowohl die Kluboberen als auch Virkus die rückwärtsgewandte Entwicklung nach der WM-Pause nicht mal im Ansatz mit der Person Daniel Farke in Verbindung gebracht haben, schien für eine Trainerdiskussion kein Raum.
Dabei muss es diese Diskussion zwangsläufig geben, schließlich sprechen die Fakten eine deutliche Sprache. Daniel Farke hat die Euphorie und Aufbruchstimmung seiner Anfangszeit nicht genutzt und die Vorschusslorbeeren sogar unbeachtet in der Ecke liegen und vertrocknen lassen. Es ist weder erkennbar, welche Fußballphilosophie der 46-Jährige wirklich verfolgt, noch kommt er der ureigensten Aufgabe eines Profi-Trainers nach: Aus dem vorhandenen Spielermaterial das Bestmögliche herauszuholen. Jeder, der sich nur ansatzweise mit Borussia Mönchengladbach beschäftigt, hat die Kaderstruktur als das Hauptübel ausgemacht. Es ist ganz klar, dass ein Umbruch erfolgen muss und genauso ist es bekannt, dass diese Mannschaft in dieser Zusammenstellung keine Zukunft hat und in sich vermutlich sogar toxisch ist.
Bei der Abwicklung eines ehemaligen Champions-League-Kaders fast die Finger in der Nase gebrochen
Dennoch muss es auch unter diesen ungünstigen Voraussetzungen für einen Trainer die Möglichkeit geben, mehr aus den unzweifelhaft vorhandenen Qualitäten der einzelnen Spieler herauszuholen, als den Fußball, der in Gladbach Woche für Woche ‘gespielt’ wird. Es geht dabei nicht um Champagner-Fußball, um eine der vielen blumigen Umschreibungen von Farke zu benutzen. Es geht vielmehr um ganz einfache Grundlagen, die ein Trainer auch einer alles andere als optimal zusammengestellten Mannschaft vermitteln kann - oder als Profitrainer mit stattlichem Gehalt sogar vermitteln muss.
Die Saison wird als ein Tiefpunkt der Neuzeit in Borussias Geschichte eingehen. Und Daniel Farke ist der Trainer, der sich bei der Abwicklung eines ehemaligen Champions-League-Kaders fast die Finger in der Nase gebrochen und es gleichzeitig nicht geschafft hat, sichtbare Zeichen hinsichtlich der Entwicklung der neuen Borussia zu setzen. Dass im Sommer eine Herkulesaufgabe auf den Verein zukommen wird, wurde hier schon zur Genüge thematisiert. Für solch ein Projekt braucht es neben Geld primär Geschlossenheit und Vertrauen in die handelnden Personen. Und Daniel Farke hat vor allem im laufenden Kalenderjahr ziemlich viel an Vertrauen dahingehend verloren, dass er dieser Aufgabe gewachsen sein könnte. Wenn selbst der Sportdirektor nur sagt, dass »Daniel die Chance verdient hat«, klingt das kaum nach einem flammenden Appell für eine gemeinsame Marschrichtung.
Abtauchen und kein Kommentar
Es ist also nur logisch, dass man in Mönchengladbach das Thema Farke intern auf der Tagesordnung hat. Es gibt gesicherte Erkenntnisse, dass der ganze Komplex kontrovers innerhalb Borussias Führungsebene diskutiert wird. Dabei ist allerdings klar, dass niemand in einem Trainerwechsel das Allheilmittel sieht. Im Gegenteil - das Wissen, dass das wahre Übel in der Zusammensetzung der Mannschaft zu suchen ist, verbietet eigentlich eine Trennung von Daniel Farke. Andererseits muss man jedoch auch hundertprozentig überzeugt davon sein, dass Farke der richtige Mann für den Neuaufbau ist. Und dass es da Zweifel gibt, ist angesichts der letzten Monate absolut nachvollziehbar.
Die Dynamik, die um das Dortmund-Spiel in die Sache gekommen ist, lässt mehr als nur aufhorchen. Dass die Mannschaft den Trainer erneut einfach im Regen stehen gelassen hat, befeuert das Thema zusätzlich. Die Reaktionen der Protagonisten am Wochenende, die Gerüchte nicht zu kommentieren und stattdessen abzutauchen, lassen viel Raum für ausufernde Vermutungen. Wäre alles aus der Luft gegriffen, würde ein klarstellendes Zitat von Virkus sämtlichen Spekulationen den Nährboden nehmen. So aber verhärten sich die Anzeichen, dass da etwas im Busch ist, was noch nicht spruchreif ist. Klar ist aber auch, dass ein ‘Daniel hat die Chance verdient’ unter diesen Umständen immer schwerer zu vermitteln sein wird.
von Marc Basten