Es scheint so, als ob bei Borussia Mönchengladbach immer mehr der handelnden Personen die Zeichen der Zeit erkannt hätten. ‘Ruhe bewahren’ war bisher das oberste Gebot bei den taumelnden Fohlen, was dazu führte, dass öffentlich etwas zu sehr um den heißen Brei herum geredet wurde. Intern soll es zwar anders gewesen sein, doch weil auch danach Leistung und Ergebnisse nicht stimmten, wurde es um den Klub immer unruhiger. Mittlerweile hat sich die offizielle Sprechweise verändert. Kapitän Lars Stindl äußerte sich in der vergangenen Woche schon recht deutlich und am Samstag nach dem Remis in Hoffenheim legte Christoph Kramer am Sky-Mikro nach.
Der Mittelfeldspieler wollte das Spiel nämlich nicht als ‘Schritt nach vorne’ gewertet wissen. »Es ging um den einen Punkt und den haben wir geholt - egal wie. Es ist ein Ergebnis, über das wir uns freuen können. Über die Leistung aber nicht. Hätten wir in den letzten Wochen nicht so viel berechtigte Kritik abbekommen, dann würde ich hier stehen und sagen: ‘Was wir hier für eine Scheiße gespielt haben, so schlecht waren wir noch nie’«. Klare Worte des 30-Jährigen, die nach den vielen Beschwichtigungen und leeren Aussagen aufhorchen ließen. Und doch muss man Christoph Kramer widersprechen.
Das Gesamtkonstrukt war im ganzen Jahr nicht gut
Denn dieses »so schlecht waren wir noch nie« stimmt nicht. Borussia war in Hoffenheim sogar ein wenig besser als bei den meisten anderen Auswärtspartien in diesem Jahr. Natürlich war das Offensivspiel auch diesmal nur rund 10 Minuten wirklich konkret und es wurde zu viel nach vorne gebolzt und zu wenig durchdachter Fußball gespielt. Aber das lässt sich eben auch für nahezu jede andere Partie in fremden Stadien sagen. In Sinsheim war immerhin eine Steigerung dahingehend zu sehen, dass Embolo tatsächlich mal ein paar Bälle festmachen konnte und dass Thuram weniger orientierungslos agierte als zuletzt. Kramer spricht vom »Gesamtkonstrukt, das in den letzten Wochen nicht gut« sei. Aber es sind eben nicht nur die letzten Wochen, in denen den Borussen die Ergebnisse um die Ohren fliegen: Das Gesamtkonstrukt war im ganzen Jahr nicht gut.
Der Punkt in Hoffenheim war ohne Frage wichtig. Vor der kurzen Weihnachtspause wurde die Niederlagenserie gestoppt und damit der freie Fall etwas abgemildert. Doch niemand sollte den Ernst der Lage verkennen und sich darauf verlassen, dass die Mannschaft aufgrund ihrer vermeintlichen Qualität in der Rückrunde nichts mit dem Abstiegskampf zu tun haben wird. Es ist eine alarmierende Tatsache, dass Borussia in nahezu unveränderter Besetzung über das ganze Jahr 2021 wie ein Abstiegskandidat performed und gepunktet hat. Das hat nichts mit einer Leistungsdelle gemein, sondern ist ein ernsthaftes und tieferliegendes Problem. Man muss sich eingestehen, dass es hochgradig riskant wäre, in dieser Konstellation einfach weiter zu machen. Wirksame Reparaturarbeiten am Kader sind in der Wintertransferperiode dringend notwendig.
von Marc Basten