Eigentlich hätte es der zusätzlichen Motivation nicht bedurft, doch Eintracht Frankfurt lieferte sie am Samstagnachmittag frei Haus an die Reisegruppe aus Mönchengladbach, die sich in Stuttgart aufhielt. Durch das torlose Remis der Hessen gegen Hertha konnte Borussia mit einem Sieg beim Tabellensechzehnten gleichziehen und damit die Ambitionen auf Platz 4 aber mal so richtig untermauern.
Es war also angerichtet am frühen Samstagabend für ein echtes Millionenspiel der Fohlenelf in Stuttgart. Was die Borussen dort erwarten würde, stand schon vorher fest: Ein durch den Trainerwechsel motiviertes, aber natürlich in sich komplett instabiles Stuttgarter Team. Mit einer selbstbewussten und aggressiven Herangehensweise wie gegen Leipzig hätte man den VfB ganz schnell auf den Boden der Tatsachen holen und den Effekt des neuen Coachs verpuffen lassen können.
Es war schon bemerkenswert armselig, wie zufallsbasiert sich das Kombinationsspiel gestaltete
Aber die Borussen gingen die Partie sehr zurückhaltend an und ließen sich von dem Pressing der Schwaben verunsichern. Auch wenn Gladbach eigenartigerweise keine Anstalten machte, wirklich etwas zu forcieren, servierten ihnen die Stuttgarter einige Chancen auf dem Silbertablett. Doch die Borussen verschluderten diese leichtfertig. So kam es, wie es kommen musste. Der VfB bekam zusehends Zutrauen in die eigenen - objektiv gesehen freilich sehr beschränkten - Fähigkeiten, während die Gladbacher immer mehr in den Planlos-Modus verfielen. Es war schon bemerkenswert armselig, wie zufallsbasiert sich das Kombinationsspiel eines Teams gestaltete, das sich selbst über die fußballerische Komponente definiert.
Borussia war völlig harmlos und ließ sich von der schlechtesten Abwehr der Liga relativ problemlos wegverteidigen. Auf der anderen Seite ließen sich die Gladbacher einzig vom Tempo der Stuttgarter Angreifer derart verunsichern, dass sie teilweise komplett die Orientierung verloren. Elvedis Zweikampfverhalten beim Pfostenschuss sowie dem Gegentreffer hatte mit Profifußball nichts zu tun. Der VfB zog sich nach der Führung zurück und das reichte aus, um die unfassbar harmlosen Angriffe der Borussen zu kontrollieren und einen verdienten Sieg einzufahren.
Heckings letzte Patrone Cuisance war sinnbildlich für den Zustand der Borussia
Aus Gladbacher Sicht bleibt nur das blanke Entsetzen. Wie kann es sein, dass eine Mannschaft trotz bester Voraussetzungen derart desorientiert auftritt? Zum wiederholten Mal stellt sich Frage nach den Regulierungsmechanismen innerhalb des Teams. Diese scheinen nicht zu funktionieren, bzw. werden beim kleinsten Widerstand ausgehebelt. Mehr denn je stellt sich aber auch die Frage nach der Rolle des Trainers. Der Trotzeffekt nach dessen angekündigter Demission war ein laues Lüftchen und vom vielbeschworenen guten Verhältnis zwischen Trainer und Mannschaft kam in Stuttgart genauso viel rüber, wie bei den vermeintlich so ausgeklügelten Standardsituationen: also rein gar nichts.
Heckings Schachzug, den Ausfall von Raffael mit der Nominierung von Hofmann als zweite Spitze kompensieren zu wollen und Hazard weiter auf links die Linie rauf und vor allem runter laufen zu lassen, erwies sich als Rohrkrepierer. Die Systemumstellung nach dem Rückstand verpuffte ebenso und sinnbildlich für den Zustand der Borussia Ende April 2019 war die letzte Patrone, die Hecking in Stuttgart abfeuerte. Er brachte Michael Cuisance, der erneut mit deplatzierten Hackentricks und Egoaktionen aufwartete. Da dies mittlerweile in unschöner Regelmäßigkeit bei Cuisances Kurzeinsätzen vorkommt, stellt sich wirklich die Frage, ob dem Jungen überhaupt mal jemand erklärt hat, was geht und was nicht.
Dass Hecking den notwendigen Impuls setzen kann, erscheint spätestens seit Stuttgart illusorisch
Letztlich bleibt nach dem Auftritt in Stuttgart nur die Erkenntnis, dass die Gefahr akuter denn je ist, dass Borussia die Saison komplett in den Sand setzt. Die zwei verbleibenden Heimspiele haben es ohnehin in sich und nach der Leistung in Stuttgart erscheint plötzlich auch das Auswärtsspiel in Nürnberg als riesige Hürde. Die Augen zu schließen und darauf hoffen, dass es schon gutgehen wird, wäre sehr gewagt. Auch wenn Trainerentlassungen nicht in der DNA von Borussia verankert sind führt daran - besonders unter dem Aspekt der ohnehin beschlossenen Trennung - eigentlich kein Weg vorbei. Dass Hecking den notwendigen Impuls setzen kann, oder dass dieser unabhängig von der Ansprache aus der Mannschaft selbst kommt, erscheint spätestens seit Stuttgart illusorisch. Von daher wäre es fahrlässig, nicht alles zu versuchen, um die Saison noch zu retten.
von Marc Basten