Für den neutralen Zuschauer war das Topspiel am Samstagabend eine unspektakuläre und zähe Angelegenheit und auch der gemeine Gladbachfan wird beim torlosen Remis im Berliner Olympiastadion nicht gerade in Euphorie verfallen sein. Aber was will man machen, wenn der Gegner in einem Heimspiel wenig Interesse an der Spielgestaltung hat und stattdessen nur darauf lauert, einen Fehler zu bestrafen? Man könnte mit offenem Visier angreifen und ins Verderben laufen. Oder aber man geht dosiert ins Risiko und legt die Priorität darauf, die Ordnung nicht zu verlieren und dem Gegner genau das nicht anzubieten, auf das er spekuliert.
Eben aus dieser Konstellation heraus entwickelte sich am letzten Hinrundenspieltag die Partie in Berlin. Die Vorgehensweise der Hertha ist angesichts der nach wie vor misslichen Lage nachvollziehbar und die Reaktion der Gladbacher ebenso. Wären die Borussen den Berliner auf den Leim gegangen, hätte man ihnen berechtigterweise ihre Naivität vorhalten müssen. So aber darf man sie für die defensive Disziplin loben. Kritik ist allerdings bezüglich des Offensivspiels angebracht. Dass es teilweise so arg stockte, lag nicht nur an strikten Verteidigungsarbeit der Berliner, sondern auch an diversen unsauberen Aktionen, die sich die Gladbacher nahezu über die gesamte Spielzeit hinweg erlaubten.
Ein Entwicklungsprozess, der von guten Resultaten begleitet ist
Ein solches Spiel kann man nur gewinnen, wenn man die wenigen Gelegenheiten, die sich einem bieten, konsequent nutzt. Das gelang Plea & Co nicht und hier müssen sich die Borussen sicherlich einen Vorwurf gefallen lassen. Doch andererseits muss man das Spiel in Berlin im Kontext der Hinrunde sehen und da wird schnell klar, dass Borussia zwar als Tabellenzweiter wie ein Spitzenteam dasteht, aber realistisch gesehen allenfalls auf dem Weg dahin ist, vielleicht mal eins zu werden. Im letzten halben Jahr hat sich sehr viel verändert in Mönchengladbach und fast an jedem Spieltag wird die These bestätigt, dass man sich in einem Entwicklungsprozess befindet, der noch längst nicht abgeschlossen ist. Der aber - und das ist höchst erfreulich - von guten Resultaten begleitet ist.
Dass ein Verein, der sich gerade anschickt, sich fußballerisch neu zu definieren, mit 35 Punkten in die Winterpause geht und damit die beste Halbzeitbilanz seit 1976 erreicht hat, ist sehr bemerkenswert und alles andere als selbstverständlich. Deshalb sollte man dieses zweite Remis in der Bundesliga unter der Regie von Marco Rose - das erste gab es zum Auftakt gegen Schalke, das zweite zum Ende bei der Hertha - nach dem Motto ›Mund abputzen und Punkt verbuchen‹ abhaken. Nach Ende der Hinrunde steht fest, dass Borussia blendend dasteht und sich in die richtige Richtung entwickelt hat. Genauso ist klar, dass der Weg noch weit und es in allen Bereichen Luft nach oben gibt. Das macht den Ausblick auf Borussia 2020 vielversprechend und spannend. Gleichzeitig steht nun auch fest, dass man in der Rückrunde (mal wieder) etwas zu verlieren hat. Nach dem Weihnachtsurlaub, den sich alle redlich verdient haben, muss man sich auf eine knifflige zweite Halbserie einstellen.
von Marc Basten