Wohl selten hat ein Tor in der Nachspielzeit, mit dem ein Ergebnis zugunsten der Borussia korrigiert werden konnte, für so wenig erlösenden Jubel gesorgt, wie der Treffer von Lars Stindl am Samstag in Freiburg. Die allenfalls unterkühlte Freude im Gästeblock irritierte Borussias Kapitän sichtlich - er wirkte konsterniert und trat wütend gegen die Bande. Und doch war die Reaktion der Anhänger verständlich, denn zu viel ist in dieser Saison schief gelaufen - auch beim Spiel in Freiburg - als dass man alles mit einem glücklichen und unerwarteten Ausgleich hätte korrigieren können.
In Freiburg war die Mannschaft einmal mehr drauf und dran, durch einen Leistungseinbruch ein Spiel in den Sand zu setzen. Dabei hatte es eine Zeit richtig ordentlich ausgesehen, was die Borussen da auf den Rasen des neuen Stadions im Breisgau brachten. Da waren die beiden frühen Tore, die den Gladbachern in die Karten spielten, aber auch die taktische Herangehensweise, die Hoffnung machte. Endlich war Adi Hütter von seinem Konzept, hoch zu stehen und früh zu attackieren, abgerückt. Endlich rannten die beiden Außenspieler nicht blindlings nach vorne, sondern es wurde bei gegnerischem Ballbesitz eine Fünferkette gebildet, vor der sich eine Dreierreihe postierte, bei der die Priorität auf die defensive Stabilität gelegt wurde.
Die auf Konter ausgerichtete Staffelung passte
Diese auf Konter ausgerichtete Staffelung passte und der Plan schien aufzugehen - wie der Treffer zum 2:0 belegte. Danach war das Feld für die Borussen bestellt: Freiburg musste gezwungenermaßen noch mehr ins Risiko gehen, während die Gladbacher aus einer sicheren defensiven Ordnung ein Umschalt- und Konterspiel aufziehen konnten, das für Spieler der Kategorie Neuhaus, Koné, Hofmann, Plea und Embolo eigentlich ein Fest sein muss. Doch leider wurden die Konter der Borussen schon im Verlauf der ersten Halbzeit immer ungefährlicher. Aber die Defensive stand und so konnte die 2:0-Pausenführung gesichert werden.
Dass unmittelbar nach dem Seitenwechsel ein Witz-Elfmeter gegen die Borussen gepfiffen wurde, war natürlich Pech. Oder vielleicht ausgleichende Gerechtigkeit, weil der Handelfmeter für die Fohlen zu Beginn der Partie auch sehr zweifelhaft war. Und ja, es war auch unglücklich, dass der Schiedsrichter bei dem klaren Foul an Hofmann (Schlotterbeck senste den Borussen um, nachdem dieser abgezogen hatte) wegen einer zweifelhaften Abseitsentscheidung nicht reagierte und der - zuvor übereifrige - VAR diesmal nicht intervenierte. Und logisch - der SC Freiburg hat eine starke Mannschaft und es war klar, dass die Breisgauer eine Aufholjagd anvisieren würden.
Nach der Pause verfielen die Borussen in alte Verhaltensmuster
Doch das alles ist kein Grund dafür, dass die Borussen nach der Pause wieder in alte Verhaltensmuster verfielen. Plötzlich turnte der zuvor diszipliniert verteidigende Lainer vorne herum und betrieb unsinniges Forechecking, indem er den Torwart anlief. Auf einmal wurden Räume geöffnet und die Zweikämpfe nicht mehr gesucht. Einige Spieler wirkten überfordert, andere körperlich nicht mehr auf der Höhe. Es gab keine Entlastung durch längere Ballbesitzphasen, aber auch keine Konter gegen die aufgerückten Freiburger. Als der SC das 3:2 erzielte, war Borussia eigentlich mausetot.
Und genau das haben die Fans im Stadion - aber auch die meisten vor den TV-Geräten - so empfunden. Dass Roland Virkus nachher davon sprach, dass die Mannschaft trotz des Rückstands weiter an sich geglaubt hat, ist eine sehr geschönte Ansicht. Tatsächlich lief nämlich bis zum Tor in der Nachspielzeit überhaupt nichts nach vorne und von einer Trotzreaktion oder einem Aufbäumen waren die Borussen meilenweit entfernt. Der Ausgleich fiel aus heiterem Himmel, nichts hatte darauf hingedeutet und wohl auch deshalb verteidigten die Freiburger vergleichsweise luftig. Und auch deshalb hatte sich bei den Borussenfans eine Enttäuschung breitgemacht, die nichtmal das Duo Herrmann & Stindl wettmachen konnte.
Kein Spielraum, irgendetwas schön zu reden
Natürlich ist es gut, dass Borussia noch der Ausgleich gelungen ist und dass das Spiel nicht verloren wurde. Aufgrund der Stuttgarter Niederlage am Sonntag bedeutet dieser eine Punkt den sicheren Klassenerhalt. Aber noch viel wichtiger ist, dass man sich bei der Aufarbeitung nicht in die Tasche lügt und so tut, als ob alles gut sei, weil man ja einen Punkt bei den hoch eingeschätzten Freiburgern ergattern konnte. Dieses Spiel war allenfalls ein klitzekleiner Schritt in die richtige Richtung, weil die grundsätzliche Herangehensweise korrigiert wurde - was schon lange überfällig war. Dass man das nicht durchziehen konnte - oder wollte - steht auf einem anderen Blatt und lässt keinerlei Spielraum, irgendetwas schön zu reden.