Es ist knapp drei Wochen her, da wollte Max Eberl gemeinsam mit Marco Rose den Druck vom Kessel nehmen. Die nervenden Fragen nach der Zukunft des Trainers belasteten das Tagesgeschäft und mit der Verkündung der Entscheidung – selbst wenn sie aus Gladbacher Sicht nicht positiv war – sollte der Fokus vor den fundamental wichtigen englischen Wochen wieder komplett auf den Fußball gelegt werden. Um die Saisonziele nicht zu gefährden.
Drei Wochen später bleibt nur die Feststellung, dass der Plan gehörig in die Hose gegangen ist. Borussia hat seitdem jedes Spiel verloren und anstatt das mit der Klarheit um Roses Zukunft gleichzeitig auch Ruhe einkehrt, ist das Gegenteil eingetreten. Die Fans haben sich vom ‚Projekt Rose‘ und ihrem Hauptprotagonisten enttäuscht abgewandt und wollen ihn nicht mehr sehen. Max Eberl stellt sich derweil in den Gegenwind und will eben jenes Projekt, das er mit voller Überzeugung gestartet hat, nicht vor die Wand fahren lassen.
Fünf Spiele, fünf Niederlagen
Eberl hat darauf gesetzt, dass das Gespann Trainerteam – Mannschaft intakt und gefestigt ist und es auch unter den veränderten Umständen so weit funktioniert, um sportlich in der Spur zu bleiben. Ein Ausscheiden in der Champions League war ohnehin einkalkuliert und ein Pokalspiel gegen Dortmund wäre auch zu den Zeiten, als ganz Mönchengladbach dem supercoolen Marco Rose noch die Füße geküsst hat, ein 50:50-Spiel gewesen. Also erhobenen Hauptes durch die Pokalwettbewerbe und in der Liga im engen Rennen da oben weiter mitmischen – das war eigentlich keine unmögliche Aufgabe.
Doch nach fünf Niederlagen innerhalb 16 Tagen ist die Realität eine andere. Die nackten Zahlen sprechen eine deutliche Sprache, auch wenn Borussia in keinem Spiel eingebrochen ist und abgeschossen wurde. Gegen City wurde mit zwei Toren Unterschied verloren, in den vier anderen Partien mit einem. Borussia war in diesen vier Spielen nah dran, aber letztlich waren die Niederlagen auch nicht unverdient. Weil eben doch eine ganze Menge von dem fehlte, was die Mannschaft im Herbst oder in der letzten Saison auf den Platz gebracht hat. So war es auch bei der jüngsten Niederlage gegen Leverkusen.
Ein unverkennbares Vakuum
Die Mannschaft spielte gegen Bayer grundsätzlich nicht schlecht, aber in Summe war es letztlich nicht überzeugend genug. Borussia war im letzten Spielfelddrittel einmal mehr erschreckend unbeholfen. Aus dem Mittelfeld kam spielerisch so gut wie nichts (Zakaria/Neuhaus), Lazaro fehlt immer noch die Bindung, Wolf kann mit simpler Körperlichkeit der Stecker gezogen werden und die Individualisten Thuram und Plea wirken physisch ausgelaugt und emotional nicht bei der Sache. Die Standards, mit denen Borussia zuvor einiges kaschieren konnte, verpufften auch gegen Bayer.
So entsteht dann dieses Bild von einer Mannschaft, die sich zwar bemüht, aber eben auch nicht mehr. Das Programm wird abgespult, wenn es klappt, dann ist es okay und wenn nicht, dann eben nicht. Feuer und Hingabe sucht man, bis auf wenige Ausnahmen, vergebens und das hat ohne Zweifel auch mit Marco Rose und seiner Situation zu tun. Alle Protagonisten mögen Profis sein und alle sind in der Lage, unter diesen Bedingungen sachgerecht miteinander zu arbeiten. Aber auf der eher irrationalen Ebene, wo Trainer und Mannschaft sich emotional für eine gemeinsame Idee des Fußballs begeistern, gibt es in Gladbach ein unverkennbares Vakuum.
Vielleicht hat Eberl auch die Konsistenz der Mannschaft überschätzt
Rose wirkt deutlich angeschlagen und man muss viel Phantasie entwickeln, um sich vorzustellen, wie er die Mannschaft in Teamsitzungen aufrüttelt und mitreißt. Und offensichtlich ist die interne Struktur im Team auch nicht so, dass die Krise aus der Mannschaft heraus gelöst werden kann. Das erhoffte Zusammenrücken hat augenscheinlich nicht stattgefunden und vielleicht muss Max Eberl nicht nur damit leben, dass er Marco Roses Begeisterung für das gemeinsame Projekt falsch eingeschätzt, sondern auch die Konsistenz der Mannschaft überschätzt hat.
Die ganze Misere hat mittlerweile eine brandgefährliche Eigendynamik entwickelt. Die Fans sind frustriert und wenden sich ab, was zwar aufgrund der leeren Stadien keine unmittelbaren Auswirkungen hat, aber langfristig die ohnehin allseits spürbare Entfremdung vorantreibt. Die Medien, die Gladbach noch vor wenigen Wochen als Vorzeigeklub hochgejazzt haben, stürzen sich nun mit Inbrunst darauf, die Krise auszuschlachten und weiter zu befeuern. Es steht zu befürchten, dass ein Festhalten an der Strategie ‚Augen zu und durch‘ am Ende einen viel größeren Schaden verursacht, als lediglich ein auf halber Strecke beendetes Trainer-Projekt und eine verkorkste Bundesligasaison.
von Marc Basten