Schalke 04 ist mit defensivem Kontrollfußball Vizemeister geworden, Frankreich sogar Weltmeister, indem man dem Fußball das Spektakuläre nahm und stattdessen alles auf Pragmatismus konzentrierte. Das war schlau und erfolgreich, doch über das nackte Resultat hinaus hielt sich die Begeisterung über die Art und Weise in Grenzen. Ist das der Fußball der Zukunft? Es schüttelt einen bei der Vorstellung.
Da ist es den Verantwortlichen von Borussia Mönchengladbach schon mal vorab hoch anzurechnen, dass sie dem vermeintlichen Trend entgegenwirken wollen und sich für die neue Saison eine aktive und attraktive Spielweise auf die Fahne geschrieben haben. Natürlich nicht, weil sich die Gladbacher als Retter des schönen Fußballs aufschwingen wollen, sondern weil die stockende Entwicklung der letzten zwei Jahre eine Neuausrichtung erforderlich macht.
Diesen nächsten Schritt sind Max Eberl und Dieter Hecking trotz anhaltender Kritik angriffslustig und durchaus auch mit der notwendigen Selbstkritik angegangen. Die Formulierungen im Vorfeld sind eindeutig. Das neue 4-3-3 wird vom Sportdirektor als System »mit drei Stürmern und zwei offensiven Mittelfeldspielern« charakterisiert, bei dem die Abwehrspieler aufrücken sollen, wenn vorne gepresst wird.
»Pressing mit Struktur« nennt es Eberl. „Wir wollen das gesamte Spiel nach vorne verlagern«. Wobei die fußballerische Lösung weiterhin über allem steht. Aber auch in Sachen ‚Spiel-Mentalität‘ wurde angesetzt. Die Ansage an die Mannschaft war unmissverständlich: Überhebliche Auftritte wie zuletzt in Hamburg werden nicht mehr geduldet, dazu soll endlich die oft vermisste letzte Gier auf den Platz gebracht werden.
Hecking will und muss liefern, die Mannschaft ebenso
Zieht man die letzten Wochen heran, so läuft die Umsetzung durchaus vielversprechend. Natürlich sind schon viele ‚Vorbereitungsweltmeister‘ kläglich abgestürzt und auch ein 11:1 über einen Fünftligisten im Pokal ist keine Garantie für einen gelungenen Bundesligastart. Dennoch: Es ist seit längerem mal wieder ein frischer Wind zu spüren, die Spieler gehen ihrer Arbeit mit sichtlich geschärften Sinnen nach. Einerseits ist da der Konkurrenzkampf untereinander, aber auch die besondere Situation des Cheftrainers.
Dass Dieter Hecking um seinen Job kämpft, wäre vielleicht etwas übertrieben formuliert. Das tut jeder Trainer, egal wie lange sein Arbeitspapier formal Gültigkeit hat. Aber Hecking hat schon eine ganz spezielle Motivation, es den ganzen Kritikern zu zeigen. Hecking will und muss liefern, die Mannschaft ebenso. Das ist eine durchaus interessante Ausgangslage.
Die Weichen sind gestellt – es kann losgehen. Selbstverständlich darf man nicht blauäugig davon ausgehen, dass Borussia jetzt mal eben locker die Liga aufmischt. Man wird sich ganz gewiss an der einen oder anderen Stelle eine blutige Nase holen. Aber wenn die Herangehensweise wirklich so ist, wie sie sich bislang angedeutet hat, dann werden auch die Fans den Weg der ‚neuen‘ Borussia mitgehen, selbst wenn es ab und an etwas holprig werden sollte.
von Marc Basten