Ein kleiner Funken Hoffnung wehte durch die Stuttgarter Arena, als die ersten Minuten zwischen dem VfB und der Borussia liefen. Hatte da Adi Hütter die Zeichen der Zeit erkannt und seiner Mannschaft eine Herangehensweise verordnet, die endlich etwas mehr defensive Stabilität gewährleistet? Es hatte den Anschein - auch wenn die Umsetzung zunächst nicht ganz so überzeugend wirkte.
Aber der Plan schien aufzugehen. Borussia kassierte kein frühes Gegentor, ging mit der ersten richtigen Chance in Führung und legte sogar nach. 2:0 nach 35 Minuten beim Tabellenvorletzten, der seit Ewigkeiten nicht mehr gewonnen hat und zuletzt einen Nackenschlag nach dem nächsten einstecken musste. Es gehört schon verdammt viel Unfähigkeit dazu, unter solchen Voraussetzungen noch zu verlieren. Aber für Borussia Mönchengladbach unter Adi Hütter scheint es auf der Skala nach unten offensichtlich kein Limit zu geben.
Borussia lässt sich mit einfachsten und vorhersehbaren Mitteln vorführen
Ja, der VfB hatte auch seinen Anteil an der Wende. Die Stuttgarter haben wirklich toll gefightet, alles reingeworfen. Schön und gut. Aber eine Mannschaft, die nur einen Bruchteil der Qualität hat, von der sie in Mönchengladbach immer noch phantasieren, hätte die tapferen Stuttgarter am ausgestreckten Arm verhungern lassen. Doch diese Gladbacher Mannschaft schlich am Ende einmal mehr bedröppelt hilflos als Verlierer vom Platz. Sie haben sich von einem VfB vorführen lassen, dem einfachste und vorhersehbare Mittel ausgereicht haben.
Das Muster ‘Flanke Sosa auf den langen Kalajdzic’, ein paar Tempoläufe nach vorne und eine gute Portion Herzblut reichten dem VfB, um die Gladbacher kaltzustellen. Diese Stilmittel sind bekannt, jeder Gegner kann sich darauf einstellen. Was man in Mönchengladbach offensichtlich versäumt hat. Die Aussagen von Christoph Kramer nach der Partie waren in Bezug auf die Spielvorbereitung unzweideutig - da scheint einiges im Argen zu liegen. Und genau das spiegelte sich dann im Verlauf der 90 Minuten wider.
Sie träumen vom nächsten Schritt und verlieren in der Realität komplett den Boden unter den Füßen
Dass ein Stefan Lainer kurzfristig ausgefallen ist, hat die Planungen sicherlich beeinträchtigt. Aber das kann keine Entschuldigung sein, dass man seinen Ersatzmann Joe Scally ohne Netz und doppelten Boden ins Verderben laufen lässt. Da wird ein 19-Jähriger vom Trainer, aber auch von seinen Kollegen, einfach sich selbst überlassen. Soll er doch zusehen, wie er mit diesem Sosa klarkommt. Scally wirkte von Beginn an überfordert, doch das wurde einfach so als gegeben hingenommen.
Noch viel gravierender ist aber der Umstand, dass die Mannschaft nach wie vor nicht mal ansatzweise in der Lage ist, geschlossen zu verteidigen. Egal in welchem System, egal mit welchem Personal. Da vergeht eine lange Trainingswoche nach der anderen und immer noch ist es Adi Hütter nicht gelungen, diese Spieler darauf einzustellen, dass sie im Verbund einfache Basisarbeit verrichten. Ein Lucien Favre hat 2011 innerhalb von zwei Wochen eine solide Struktur eingeführt. Heute schwafeln sie in Gladbach immer noch mit verklärtem Blick vom Champions-League-Kader, der den nächsten Schritt zum modernen Offensivpressing geht, während man in der Realität komplett den Boden unter den Füßen verliert.
Bekommen Adi Hütter und die Mannschaft am Samstag gegen Hertha nicht die Kurve, muss die Notbremse gezogen werden
Wie wenig bei der Borussia auch ansonsten zusammenpasst, hat die Schlussphase in Stuttgart gezeigt. Nach dem 3:2 waren noch mindestens zehn Minuten auf der Uhr. Der VfB hatte zuletzt immer wieder nach hinten raus sicher geglaubte Punkte verloren und trotz der Euphorie im Stadion hatten die Schwaben gewiss mehr als nur ein Magengrummeln vor einem Deja-vu. Doch Adi Hütter wechselte direkt nach dem Gegentor mit Plea seinen besten Stürmer aus und brachte Bubi Luca Netz für die linke Seite. Was bitte war das für ein Signal, wenn eine Schlussoffensive gefragt ist? Erst ganz zum Ende der Nachspielzeit schafften es die Borussen, die Stuttgarter ein ganz klein wenig zu fordern. Das war wirklich erbärmlich.
Dass man Adi Hütter schon längst nicht mehr aus der Verantwortung lassen kann, dürfte mittlerweile jedem klar sein. Sportdirektor Roland Virkus bekommt gleich die volle Breitseite in seinem neuen Job ab und wird die Krise mit solch schmallippigen Statements wie am Samstag im Sportstudio nicht lange moderieren können. Auch wenn es keiner öffentlichen Ultimaten bedarf, so kann intern nur eine Ansage gemacht werden: Bekommen Adi Hütter und die Mannschaft am Samstag gegen Hertha nicht die Kurve, muss die Notbremse gezogen werden.