Am Ende eines ernüchternden Abends für Borussia Mönchengladbach konnten sich die Protagonisten etwas am Spielverlauf hochziehen. Stark angefangen, dumm gelaufen zwischendurch, zum Schluss noch mal eine tolle Moral gezeigt und fast einen Punkt geholt – ein wenig zu eifrig strickten die Borussen anschließend an dieser Legende. Die Realität sah freilich etwas anders aus.
Angefangen haben die Borussen tatsächlich richtig gut. Sie waren von Beginn an hellwach, haben die Zweikämpfe mit Biss und Vehemenz geführt und bei einer mutigen Staffelung dafür gesorgt, dass ein Leverkusener Umschaltspiel bereits im Keim erstickt wurde. Borussia setzte Bayer unter Druck und es machte den Eindruck, als ob die Leverkusener daran zu knabbern hätten.
Mit dem Gegentor wurde Borussia der Stecker gezogen
Borussias Problem in dieser eigentlich starken Anfangsphase war allerdings das Offensivspiel. Denn trotz vieler Spieler in der gegnerischen Hälfte, hohen Ballgewinnen und permanenten Drucksituationen, blieb man zu harmlos. Die Angriffe wirkten unausgegoren, die Kombinationen nicht zielstrebig und weil mit Thuram der Zielspieler fehlte, kam der Leverkusener Defensivverbund nicht wirklich in Schwierigkeiten. Vielleicht hätte sich da noch etwas ergeben, doch nach 21 Minuten wurde den Borussen quasi der Stecker gezogen.
Ein Ballverlust von Bensebaini und sein vergebliches Bemühen um eine Korrektur im Verbund mit zögerlichen Klärungsversuchen im eigenen Strafraum bescherten Leverkusen die Führung. Erstmals an diesem Abend spielten die Gäste ihre Tempovorteile aus und es sollte nicht das letzte Mal gewesen sein. Mit der Führung im Rücken konnten sie erst recht tief stehen und darauf warten, dass die immer einfallsloser anlaufenden Gladbacher den nächsten Fehler machen. Davon gab es immer wieder welche, weil die Borussen nach dem Rückstand längst nicht mehr so stabil und konsequent zu Werke gingen, wie in der Anfangsviertelstunde.
Das 0:3 war exemplarisch für die Gladbacher Zaghaftigkeit
Einmal rettete Jonas Omlin noch im eins-gegen-eins, doch gegen das richtungsweisende 0:2 kurz vor der Pause war der Schweizer machtlos. Natürlich geht das Gegentor auf die Kappe von Nico Elvedi, der die Situation völlig falsch einschätzte und sich plötzlich in einem Laufduell wiederfand, bei dem er hoffnungslos unterlegen war. Gleichzeitig stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass Elvedi als letzter Mann acht Meter in der gegnerischen Hälfte steht. Gegen Bayer Leverkusen, das Daniel Farke als eine der ‘konterstärksten Mannschaften Europas’ adelt? Das ist weniger eine mutige Ausrichtung, sondern hat vielmehr mit einer gehörigen Portion Naivität zu tun.
Wie schon gegen Frankfurt spielte man Leverkusen brutal in die Karten. Natürlich muss man als Heimmannschaft bei Rückstand nach vorn spielen. Doch wenn schon so viele Spieler aufrücken, dann müssen sie auch etwas bewirken und den Gegner mit und ohne Ball stressen. Aber die Borussen waren offensiv harmlos, hinten offen oder es fehlte an der Konsequenz, in den Zweikampf zu gehen. Das entscheidende 0:3 war exemplarisch für die Gladbacher Zaghaftigkeit.
Borussia benötigt mehr Pragmatismus
Dass es nach hinten raus noch knapp wurde, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass Borussia an diesem Abend in allen Belangen unterlegen war. Das ist auch nicht wirklich überraschend, denn der Kader von Bayer ist individuell von der Qualität und der Breite her deutlich besser besetzt. Einen solchen Gegner bespielen zu wollen, ist sehr mutig, aber halt auch reichlich naiv. Woher kommt die Annahme, dass Borussia Mönchengladbach ähnlich wie Bayern München in der Verpflichtung ist, jedes Spiel dominant gestalten zu müssen?
Die Mär, dass Borussia traditionell ein Ballbesitzteam und diesem Stil irgendwie verpflichtet ist, sollte dringend ausgeräumt werden. Borussias Fohlen-DNA liegt im Konterspiel und in der Neuzeit diente der Ballbesitzfußball unter Lucien Favre in erster Linie der Kontrolle und defensiven Struktur. Das war nicht spektakulär, aber ergebnisorientiert – ausgekontert wurden die Borussen praktisch nie. Etwas mehr Pragmatismus wäre angesichts des unausgewogen besetzten Kaders auch aktuell keine Schande - und bei den nächsten beiden komplizierten Auswärtsspielen dringend notwendig.