Der Status quo, mit dem sich Borussia Mönchengladbach Anfang November in die WM- und Winterpause verabschiedet hatte, ist fast schon als herausragend gut zu bewerten. Es war ein extremes Jahr, an dessen Beginn der langjährige Macher Max Eberl die Brocken hinschmiss und der millionenschwere Trainer Adi Hütter mit einem unausgewogenen Kader in akute Abstiegsnot geriet. In der größten Krise der letzten Dekade sollten ein Novize als Sportdirektor und ein Trainer ohne Bundesligaerfahrung Borussia Mönchengladbach wieder auf Kurs bringen – und das angesichts leerer Kassen und auslaufenden Verträgen diverser Leistungsträger.
Dass Borussia das Jahr 2022 auf Platz 8 beendet hat und trotz des einen oder anderen Ausreißers nach oben und unten relativ stabil daherkommt, ist mehr, als man unter den komplizierten Voraussetzungen erwarten durfte. Sportdirektor Roland Virkus ist es gelungen, nach anfänglichen Irritationen sein Profil zu schärfen und Entscheidungen zu treffen, die Hand und Fuß haben. Angefangen von der Trennung von Adi Hütter, über die Verpflichtung von Daniel Farke, den Vertragsverlängerungen von Plea und Hofmann bis hin zum Leih-Coup von Julian Weigl.
Der Kader benötigt dringend eine Strukturveränderung
Daniel Farke hat sich als Glücksfall entpuppt, vor allem weil er mit seiner offenen und kommunikativen Art nicht nur die Mannschaft, sondern auch die Fans mitgenommen hat. Borussia Mönchengladbach hat die depressive Phase, die sich im Frühjahr gefühlt über den kompletten Verein gelegt hatte, überwunden und es herrscht wieder eine behutsame Aufbruchstimmung vor. Virkus und Farke haben eine Basis gelegt, auf der aufgebaut werden kann. Wie nachhaltig das alles sein wird, steht allerdings noch in den Sternen. Deshalb ist es auch noch zu früh, die Krise des ersten Halbjahrs 2022 als temporäre Erscheinung abzuhaken. Borussia Mönchengladbach ist und bleibt ein wackeliges Gebilde.
Der Kader benötigt dringend eine Strukturveränderung, darin sind sich alle einig. Die Umsetzung ist angesichts der eingeschränkten finanziellen Mittel nicht einfach und es bedarf mehrerer kreativer Lösungen, um überhaupt etwas auf den Weg zu bringen. Die Fehler der Vergangenheit haben schon im letzten Jahr dazu geführt, dass Borussia mit Zakaria und Ginter Kapitalwerte ‘verbrannt’ hat. In 2023 kann es noch viel übler werden, weil Bensebaini, Thuram und möglicherweise auch Sommer ohne nennenswerten Gegenwert gehen. Solche Leistungsträger auch nur annähernd zu ersetzen, wäre schon kompliziert, wenn man marktgerechte Transfereinnahmen erzielen würde. Aber so? Das hat etwas von Mission Impossible.
Geduld und angemessenes Vertrauen in die Entscheidungsträger
Selbst um das aktuelle Niveau zu halten, müssen Virkus, Korell & Co. viele gute und innovative Entscheidungen treffen. Gleichzeitig wird es wichtig sein, dass das Umfeld geerdet bleibt und Geduld aufbringt. Man darf sich nicht treiben lassen von der Wunschvorstellung, dass Borussia Mönchengladbach zu den Topteams der Liga gehört und Erwartungen schüren, die völlig unrealistisch sind. Borussia ist kein Champions-League-Club, auch wenn man in den vergangenen Jahren dort mal kurz reinschnuppern durfte. Das Ziel, eine stabile Saison zu spielen, mag unsagbar fade und hausbacken klingen, aber es ist genau das, was wirklichkeitsnah ist.
Es kommen in naher Zukunft große Herausforderungen auf Borussia zu, bei denen der Club in mehreren Bereichen das Heft des Handelns nicht in der Hand hält. Die Situation richtig einzuschätzen, aus den Versäumnissen der Vergangenheit zu lernen und viele gute Personalentscheidungen zu treffen, wird alles andere als ein Selbstläufer. Es wird auf und neben dem Platz Rückschläge geben, aber mit der nötigen Geduld und einem angemessenen Vertrauen in die Entscheidungsträger ist es möglich, den Gegebenheiten zum Trotz den eingeschlagenen Weg in die richtige Richtung fortzusetzen. Fest steht jedenfalls, dass 2023 alles andere als ein langweiliges Jahr für Borussia und ihre Fans werden wird. Gehen wir es an …